Kalte Schulter, Heißes Herz
Erinnerung an seine kräftige Hand auf ihrem Rücken zu verdanken. Der zärtliche Druck seiner Fingerspitzen durch den dünnen Seidenstoff …
Hastig räusperte Flavia sich und strich ihr Kleid glatt. Dann stand sie auf und verließ mit festen Schritten den Raum.
3. KAPITEL
Endlich kehrte Flavia Lassiter von den Waschräumen zurück. Leon stieß sich von der Wand ab, an der er gelehnt hatte, und zog die Stirn in Falten, während sie mit steifen Schritten auf ihn zukam. Ihre Haare waren wieder streng frisiert, und auch die letzten Spuren des Lippenstifts, der ihren Mund in eine Quelle der Verführung verwandelt hatte, waren verschwunden. Allerdings konnte nichts diese herrlichen Kurven kaschieren, die unter dem eleganten sexy Kleid in Aquamarin erkennbar waren. Zum Glück!
Als Flavia ihn bemerkte, blieb sie wie angewurzelt stehen und wurde rot. Ein weiterer Triumph für Leon, den er zufrieden zur Kenntnis nahm. Sie mochte sich wie eine Eisprinzessin benehmen, aber wirklich verstellen konnte sie sich dennoch nicht. Es fiel ihm leicht, ihre Abwehr zu umschiffen und ihre Selbstkontrolle zu schwächen. Das waren in der Tat blendende Aussichten!
„Da sind Sie ja wieder“, sagte er und legte ihre Hand ein weiteres Mal in seine Armbeuge, um sie auf diese Art eng an seiner Seite zu halten.
Flavia biss die Zähne zusammen. Einen Moment hatte sie nicht aufgepasst, und schon war sie wieder seine Gefangene. Doch wie vorhin hatte sie keine andere Wahl, als sich zu fügen, wenn sie eine peinliche Szene vermeiden wollte. Also ließ sie sich bereitwillig zurück zum Tisch bringen. Leider waren ihr Vater, Anita und die anderen noch beim Tanzen, und so waren Flavia und Leon allein.
Meine Güte, geht dieser Horror denn gar nicht mehr vorbei? fragte sie sich und beobachtete Leon, wie er sich noch mehr Kaffee und Brandy bestellte und sich dann auf seinem Stuhl zurücklehnte.
„Die Freundin Ihres Vaters liegt falsch“, bemerkte er. „Sie sehen mit offenen oder hochgesteckten Haaren gleichermaßen hinreißend aus. Andererseits …“ Er machte absichtlich eine Pause, um Flavia ausgiebig zu betrachten. „Andererseits sind Sie ohnehin etwas ganz Besonderes, und das wissen Sie wohl auch.“ Langsam ließ er den goldbraunen Brandy in seinem Glas kreisen. „Ich bin sicher, in Ihnen steckt viel mehr als nur außergewöhnliche Schönheit. Erzählen Sie mir etwas über sich. Was tun Sie, wenn Sie nicht gerade Veranstaltungen wie diesen beiwohnen? Sind Sie vielleicht eine Karrierefrau?“
Ihr wurde sein aufmerksamer Blick unangenehm, und sie wandte den Kopf zur Seite. Außerdem wollte sie nicht über sich sprechen, auch nicht über ihre Großmutter oder ihr Leben in Dorset. Das war in dieser oberflächlichen Londoner Gesellschaft einfach fehl am Platze. Und man konnte die Pflege einer demenzkranken, alten Frau sowie die Führung eines Haushalts und die Gartenarbeit auf einem Landsitz mit acht Schlafzimmern wohl kaum als Karriere bezeichnen.
„Nein“, antwortete sie daher knapp.
Leon runzelte die Stirn. Bisher war Flavia ihm ziemlich intelligent vorgekommen, und heutzutage versuchten Frauen der High Society zumindest, irgendeine sinnvolle Beschäftigung vorzutäuschen. Das gehörte allseits zum guten Ton, auch wenn es sich nur um Inneneinrichtung oder Schmuckdesign drehen sollte. Viele waren aber auch einflussreiche Geschäftsfrauen.
„Nein?“
„Nein“, wiederholte sie und sah ihn kühl an. Sollte er doch von ihr denken, was er wollte. Wahrscheinlich würden sie sich sowieso nie wieder über den Weg laufen.
„Dann reicht es Ihnen also, das privilegierte Töchterchen Ihres Vaters zu sein?“, erkundigte er sich provozierend.
Ihre Miene fror ob dieser Beleidigung regelrecht ein. „Offensichtlich.“
Leon betrachtete sie ratlos. Seine Bemerkung hatte sie deutlich getroffen, dabei war er doch bestimmt nicht der Erste, dem eine Berufstochter wenig bewundernswert erschien. Aber möglicherweise sprach das nicht jedermann laut aus? Ein anderer Gedanke drängte sich auf: Wenn Flavia Lassiter tatsächlich allein vom Vermögen ihres Vaters lebte, wie gefiel ihr wohl die Aussicht, dass sich dieses Vermögen ziemlich bald seinem ultimativen Ende zuneigen könnte? Denn wenn Leon dem alten Lassiter nicht aus seiner finanziellen Zwangslage half, blieben ihrem Vater eigentlich keine anderen Möglichkeiten, die eigene Existenz zu retten.
Ob ihr überhaupt klar war, wie sehr ihrem alten Herrn das Wasser bis zum Hals stand? Als
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