Kalte Schulter, Heißes Herz
verwöhntes Einzelkind war es ziemlich unwahrscheinlich, dass sie realistischen Einblick in seine Situation hatte. Frauen ihres Schlags scherten sich in der Regel nicht darum, woher ihr Unterhalt kam, solange der Geldfluss nicht abriss.
Leon grübelte. Anders als diese Anita hatte Flavia Lassiter keinerlei Anstalten gemacht, ihn zu umgarnen. Eher im Gegenteil! Wäre ihr klar, wie sehr ihr Vater von Leons Wohlwollen abhängig war, würde sie sich sicherlich nicht so abweisend verhalten!
Ihre eisige Fassade verschlimmerte sich durch den Umstand, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte. So viel stand fest. Sie versuchte verzweifelt, ihm zu widerstehen, deshalb zeigte sie ihm die kalte Schulter. Leider merkte sie gar nicht, wie sehr sie ihn mit diesem Verhalten anstachelte.
Genussvoll nahm Leon einen Schluck Brandy und ließ ihn langsam durch seine Kehle rinnen. „Dann engagieren Sie sich wohltätig?“, hakte er nach.
Ihre Augen feuerten regelrecht Dolche auf ihn ab. „Natürlich“, bestätigte sie. „Zum Beispiel auf Veranstaltungen wie diesen, die ich unheimlich genieße, wie man unschwer erkennen kann.“
Noch ehe sie zu Ende gesprochen hatte, wurde ihr bewusst, wie rüde sie sich verhielt. Leider war es zu spät, um ihren sarkastischen Beitrag zurückzunehmen. Aber irgendwie musste sie sich doch gegen den Einfluss wehren, den er auf sie ausübte. Selbst wenn das bedeutete, die Gesetze der Höflichkeit empfindlich zu verletzen. Sonst waren dem Wahnsinn Tür und Tor geöffnet!
Im besten Fall ließ Leon Maranz sich durch ihre Unfreundlichkeit abschrecken und suchte sich eine willigere Gesprächspartnerin. Der Himmel wusste, dass es in diesem Raum von bereitwilligen Kandidatinnen wimmelte! Er hatte praktisch freie Auswahl. Warum musste er sich bloß ausgerechnet auf sie konzentrieren?
Ich will das alles nicht, dachte sie verzweifelt. Ich will keine Fantasien von wilden Sexabenteuern haben, die ich mir sowieso nicht zugestehen darf! Ich will Leon Maranz nicht deutlich ansehen, wie sehr er mich begehrt …
Energisch schmetterte sie ihre Gedanken ab und bannte so die Gefahr, sich in Wunschträumen zu verlieren. Sie war aufgewühlt genug, jetzt galt es, wieder mit beiden Beinen auf den Boden zu kommen. Und das so schnell wie möglich. Zuallererst musste sie diesen Kerl loswerden, der den ganzen Aufruhr in ihr verursachte.
Sein missmutiger Gesichtsausdruck verriet, wie wenig ihm ihre Frechheit gefallen hatte, und beinahe hätte sie sich bei ihm dafür entschuldigt. Doch dann überlegte sie es sich anders. Wenn er sie nicht mochte, war dies der sicherste Weg, ihm bald aus dem Weg gehen zu können. Schließlich wünschte sie sich gerade nichts sehnlicher, als immun gegen ihn und seine Männlichkeit zu sein!
Morgen um diese Zeit bin ich schon zu Hause, sagte sie sich immer wieder. In Sicherheit!
An dieser Vorstellung hielt sie eisern fest, um sich selbst Mut zu machen. Betont gelangweilt nahm sie einen Schluck Kaffee und ließ ihren Blick schweifen. Neben ihr knirschte Leon sichtbar mit den Zähnen.
„Sagen Sie mal“, brummte er, „woher nehmen Sie sich eigentlich das Recht, mich so ruppig zu behandeln?“
Ihr Kopf fuhr zu ihm herum, und sie biss sich auf die Zunge. Unmöglich konnte sie ihm entgegenschleudern, was ihr wirklich durch den Kopf ging.
Woher nehmen Sie sich denn das Recht, mich auf diese Art und Weise anzugehen? Was fällt Ihnen ein, mich gegen meinen Willen auf die Tanzfläche zu zerren, mich anzugrapschen und dazu zu bringen, auch noch Gefallen daran zu finden? Was denken Sie sich dabei, mich so anzusehen und nicht einmal zu versuchen, Ihre wahren Absichten zu verbergen? schimpfte sie lautlos. Mir so offensichtlich zu zeigen, was Sie alles mit mir anstellen würden, wenn …
Aber natürlich musste sie den Mund halten, also starrte sie ihn einfach nur feindselig an. Heute sollte ihr es wohl nicht mehr gelingen, sich Leon Maranz gegenüber angemessen zu verhalten.
„Ich nehme mir Ihnen gegenüber überhaupt keine Rechte heraus, Mr Maranz“, informierte sie ihn mit kalter Stimme. „Sie sind der Gast meines Vaters, nicht meiner. Und mir wäre es weitaus lieber, wenn er seine gastgeberischen Pflichten persönlich wahrnähme, anstatt mir diese Aufgabe zu überlassen.“
Ging es die ganze Zeit darum? Leon war verwirrt. Gefiel es Alistair Lassiters Tochter nicht, dass ihr Vater sich ausschließlich um seine junge Geliebte kümmerte?
Er gönnte sich noch einen großzügigen Schluck Brandy.
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