Kalte Schulter, Heißes Herz
eine Woche extra freizumachen, sozusagen als Entschädigung, weil ich dich allein lasse.“
Leon beugte sich vor und küsste Flavia innig auf den Mund. Obwohl sie ihr Bestes tat, Zuversicht auszustrahlen, keimte in ihr eine mulmige Vorahnung. Natürlich würde sie hier in Palma bleiben – in dem Hotel, das Leon für die kurze Wartezeit ausgesucht hatte, damit sie sich nicht allein in seiner Villa langweilte.
Die Außenwelt verlangte nach ihm, und er musste darauf reagieren. Zwar wusste sie nicht, worum es ging, aber es ließ sich nicht verschieben oder delegieren. Mehr erfuhr sie nicht. Deshalb blieb ihr nichts anderes übrig, als Leon zu vertrauen. Ein Mann wie er hatte schließlich Tausende von Verpflichtungen.
Sie selbst hatte nur eine einzige Verantwortung, die ihrer persönlichen Freiheit im Weg stand. Eine, der sie niemals ausweichen könnte.
Bis jetzt hatte sie Leon nichts von ihrer Großmutter erzählt, weil sie nicht wollte, dass die Realität ihr unwirkliches, paradiesisches Inselleben störte. Noch nicht. Wenn sie beide zurück in England waren, war noch genug Zeit, wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Dann konnte Flavia ihm gegenüber zugeben, wer die wichtigste Person in ihrem Leben war. Und dass Harford der wichtigste Ort ihres Lebens war, nämlich ihr einziges Zuhause.
Ein Teil von ihr hätte gern gebeichtet, aber etwas hielt sie zurück und ließ sie zögern. Vermutlich würde er sie fragen, warum sie mit ihm verreiste, wenn ihre Großmutter doch so schwach und hilfebedürftig war. Oder noch schlimmer: Wie sollte Flavia die hinterlistige Drohung ihres Vaters erklären? Einfach zugeben, dass der Alte sie erpresste, damit sie sich auf Leon einließ, war keine Option. Was für ein widerwärtiges Bild das abgeben würde!
Flavia fühlte sich, als läge ein Eisklumpen in ihrem Magen. Was zwischen ihr und Leon geschah, war außergewöhnlich und wunderbar. Jedes Gerede über ihren Vater war eine unwillkommene Störung, die diese perfekte Affäre beschmutzte. Sicherlich würde sie Leon noch einweihen, nur eben nicht sofort. Noch nicht!
Vor allem war alles so neu für Flavia. Dieses Phänomen, wie unvergleichlich sich die gemeinsame Zeit mit Leon anfühlte. Er hatte sie völlig verändert und eine andere Frau aus ihr gemacht. Von ganzem Herzen wünschte sich Flavia, sie hätte ihn nicht durch ihren Vater kennengelernt. Der alte Mistkerl sollte überhaupt nicht mehr in ihrem Leben herumpfuschen! Deshalb war es ihr so wichtig, die Beziehung zu Leon von ihren familiären Schwierigkeiten zu trennen.
Flavia hatte keine Ahnung, wie und wann sie sich offenbaren konnte. Jetzt ging es jedenfalls noch nicht.
Die Angst kroch wie ein böses Tier in ihr hoch und reizte ihre Nerven. Wenn Leon nur nicht nach London zurückfliegen würde, auch wenn es ein Kurzbesuch war! In seinen Armen konnte sie ihre Ängste vergessen, wenigstens für den Moment. Allein fühlte sie sich wie im freien Fall.
Ich darf diese Beklemmung erst gar nicht zulassen, nahm Flavia sich vor. Ich muss sie eisern beiseiteschieben.
Also erwiderte sie mit strahlendem Lächeln Leons Abschiedsumarmung, ehe er sich ins Taxi setzte und zum Flughafen fuhr.
Der ganze Tag lag nun vor ihr, allerdings wusste Flavia nicht recht, was sie in Palma unternehmen sollte. Das ungute Gefühl, von Leon getrennt zu sein, ließ sie den ganzen Morgen nicht los. Um sie herum entdeckte sie fast nur strahlende Pärchen, die fröhlich ihre gemeinsamen Ferien genossen. Aber Flavia hatte eigentlich keinen Grund, Trübsal zu blasen, denn immerhin kehrte ihr Verehrer schon am nächsten Tag auf die Insel zurück.
Es sei denn, er wird aufgehalten. Es sei denn, seine Geschäfte dauern länger als erwartet. Es sei denn, es kommen noch mehr Angelegenheiten auf ihn zu, um die er sich kümmern muss. Es sei denn, man ruft ihn noch ganz woanders hin, und er fliegt nach … sonst wohin weiter!
Energisch schlug sie sich die nutzlosen Befürchtungen aus dem Kopf, aber ein schaler Nachgeschmack blieb trotzdem.
Mittags legte sie sich zur Siesta in ihrem Hotelzimmer ins Bett, um etwas Zeit totzuschlagen. Irgendwann wurde sie durch das Piepen ihres Handys geweckt und blinzelte verschlafen auf das Display. Sie hatte eine SMS erhalten.
Leon! Ruckartig setzte sie sich hin und öffnete die Nachricht.
Leider war sie nicht von Leon … Flavia erstarrte.
„Meines Wissens hat Lassiter auf dieses Meeting bestanden“, sagte Leon in schneidendem Tonfall. „Warum zum Teufel ist er dann
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