Kalte Schulter, Heißes Herz
Sonnenuntergang bei eisgekühltem Fruchtcocktail und Champagner zu beobachten. Es war himmlisch, spät und ausgiebig zu frühstücken, einen leichten Lunch im Schatten einzunehmen oder abends deftig zu grillen. Und der Sternenhimmel war genauso spektakulär, wie Leon ihn beschrieben hatte.
Am schönsten war es aber, die Sterne dem Nachthimmel zu überlassen und sich stattdessen dem Glück auf Erden zu widmen!
Sie lebten in ihrem eigenen, ganz privaten Reich, dessen war Flavia sich bewusst. Die äußere Welt existierte nicht. An ihren Vater und seine egoistischen, finsteren Machenschaften verschwendete Flavia überhaupt keinen Gedanken mehr.
Absichtlich dachte sie auch nicht an ihre Grandma, obwohl sie einmal am Tag ihr Handy checkte, weil die zuverlässige Mrs Stephens ihr täglich einen Lagebericht schickte. Bis auf diese Nachrichten war Harford weit, weit weg. Flavia konzentrierte sich ausschließlich auf Leon und die herrliche Zeit mit ihm.
Wie unbeschreiblich diese Tage sind, schwärmte sie innerlich. Leon überwältigt mich mit seiner einfühlsamen Art, seinem Charme und seiner Männlichkeit.
Es war mehr als reine körperliche Leidenschaft – viel mehr. Die Emotionen waren intensiver, sie gingen wesentlich tiefer. Mit Leon fühlte sie sich leicht und unbefangen, ihr Zusammensein fühlte sich natürlich und richtig an.
Ihr war klar gewesen, dass er geglaubt hatte, sie würde auf Luxus nicht verzichten können. Aber inzwischen – hier in der schlicht eingerichteten Villa ohne Personal oder größeren Komfort – hatte sie ihn eines Besseren belehrt. Und er selbst schien das simple Leben regelrecht zu genießen.
Führte es ihn zurück zu seinen Wurzeln? In der vergangenen Woche war Flavia des Öfteren aufgefallen, wie sehr sich seine Herkunft von ihrer unterschied. Zum Beispiel, wenn er von der Aufbauarbeit sprach, die er in seinem Heimatland leistete. Wie er anderen dabei half, sich ein besseres Leben aufzubauen. Trotz aller Schwierigkeiten, mit denen sie sich konfrontiert sahen … trotz der Hoffnungslosigkeit, mit denen so viele von ihnen zurechtkommen mussten.
Flavia mochte es, wenn Leon sich in seiner Muttersprache unterhielt, so wie er es bei ihrem Zwischenstopp auf Mallorca getan hatte. Sie hätte ihn gern darauf angesprochen, wie es ihm in den ersten Jahren nach seiner Auswanderung ergangen war. Ihn nach den harten Entbehrungen und der Arbeit gefragt, die nötig waren, um die eigenen Ziele zu erreichen und seine Träume in die Tat umzusetzen.
Es musste traumatisch gewesen sein, sich so jung in einem fremden Land durchschlagen zu müssen. Bestimmt war er auf eine Menge gleichgültiger oder gar feindseliger Mitmenschen getroffen. Es konnte kein leichtes Los gewesen sein.
Allerdings merkte man ihm an, wie verhalten er auf dieses Thema reagierte. Und Flavia hatte Verständnis, schließlich wollte sie selbst auch nicht über ihr Privatleben sprechen. Schon gar nicht über ihre Familie, denn das wäre zu schmerzhaft und zu traurig.
Ich kann ihm nicht anvertrauen, wie es um Grandma steht, überlegte sie niedergeschlagen. In welcher Gefahr sich ihr Haus befindet und wozu mein Vater mich zwingt, um die eigene Haut zu retten!
Instinktiv verwarf sie die Möglichkeit, Leon reinen Wein einzuschenken. Es würde alles kaputt machen. Und der miese Charakter ihres Vaters sollte die traute Zweisamkeit auf der Insel nicht stören. Außerdem hatte der Alte nichts damit zu tun, dass sie und Leon zueinandergefunden hatten. Gar nichts! Sie war aus freien Stücken hier, weil die Begegnung mit Leon das Beste war, was ihr jemals passiert ist.
Es war nicht von Dauer, das wusste sie. Und dieser Gedanke löste Hilflosigkeit in ihr aus. Alles, was sie haben konnte, waren ein bis zwei Wochen Auszeit. Und dann – viel zu früh – würden sie abreisen müssen. Leons anspruchsvolle Arbeit wartete auf ihn, und er musste in sein gewohntes Leben zurückkehren.
Was sie selbst betraf, sie konnte ihre Großmutter eigentlich nicht so lange allein lassen, wie sie es gerade tat. Nach diesen idyllischen Ferien würde sie heimkehren und für Grandma sorgen, bis das unweigerliche Ende vor der Tür stand. Auf keinen Fall wollte Flavia sie im Stich lassen, nicht einmal für Leon.
„Es tut mir schrecklich leid! Ich wünschte, ich müsste nicht weg, aber es geht um eine dringende Sache, die ich von hier aus nicht erledigen kann. Morgen bin ich zurück, versprochen, und dann fahren wir gleich wieder nach Santera. Ich versuche, noch
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