Kalte Spur
Vermutlich hat jemand von ihnen den Fall gemeldet.«
»Dann kam der Anruf von einem Handy?«
»Das nehmen wir an.«
»Hat Ihre Telefonistin die Nummer überprüft?«
Harveys Brauen schossen empor. »Daran haben wir, offen gesagt, nicht gedacht, da der Anrufer uns ziemlich unwichtig schien. Die Telefonistin meinte, er war wirklich schwer zu verstehen, und sie hat ständig nachfragen müssen. Als wäre er betrunken gewesen oder hätte unter Drogen gestanden.«
»Ich prüfe die Liste der eingegangenen Anrufe«, meinte Cook. »Bin gleich wieder da.«
»Scheint ein fähiger Junge zu sein«, sagte Joe, nachdem der Hilfssheriff gegangen war.
»Und ob.« Harvey trank einen Schluck Kaffee. »Ich glaube, es wurmt ihn, dass er Ihnen keine Antwort geben konnte.«
»Ich werde ihn bitten, sich das nicht zu Herzen zu nehmen.«
Während sie warteten, erzählte Joe dem Sheriff von seiner
Begegnung mit Cleve Garrett und Deena und von dem Kornkreis, der keiner war. Er erklärte ihm, er gehe gegenwärtig davon aus, dass die Vorfälle in beiden Countys zusammenhingen – bis auf den Tod von Tuff Montegue, der nicht ins Bild passte. Harvey lächelte und nickte von Zeit zu Zeit. Er war vor allem unverbindlich, und Joe vermutete, dass ihm der Mord, der ins Bild passte, lieber war als die Ausnahme von der Regel, denn so wurden in ihn und sein Büro keine besonderen Erwartungen gesetzt. Erst Joes Schilderung von Maxines nächtlicher Begegnung, die ihr Fell weiß verfärbt hatte, schockierte den Sheriff.
»Kühe sind eine Sache«, brummte er. »Aber man vergreift sich doch nicht an Hunden.«
»Allerdings nicht«, bestätigte Joe.
Mit einem Ausdruck in der Hand kam Hilfssheriff Cook nach ein paar Minuten wieder, schloss die Tür hinter sich und ließ sich auf seinen Stuhl fallen.
»Ich weiß nicht, ob uns das weiterbringt«, sagte er. »Für mich jedenfalls ergibt es kaum Sinn.«
»Haben Sie eine Nummer?«, erkundigte Harvey sich ungeduldig.
»Ja, aber sie ist nicht von hier. Die Vorwahl ist 910.« Er sah Joe und Harvey erwartungsvoll an. Beide schüttelten den Kopf.
»Neun-eins-null«, wiederholte Cook. »Das Handy ist aus Fayetteville, North Carolina.«
»Was?« Harvey klang schrill. »Bei uns in den Bergen fährt morgens um halb fünf jemand aus North Carolina rum?«
Auch Joe gelang es nicht, daraus schlau zu werden. Er trug die Nummer in sein Notizbuch ein.
»Vielleicht ist das ein Gasbohrer«, spekulierte Cook. »Die kommen von überall. Gibt es in North Carolina Erdgas? Oder hat einer der Energieversorger dort seinen Sitz?«
Harvey zuckte die Achseln. »Arden, dieser Sache musst du nachgehen.«
»Wird sofort gemacht.« Cook bat um zwei Hilfssheriffs Verstärkung. Harvey war einverstanden.
Dann wandte er sich mit gezückten Brauen wieder an Joe. »Vielleicht sind wir hier tatsächlich auf etwas gestoßen.«
»Es ist jedenfalls ein Anfang. Rufen Sie mich an, wenn Sie einen Namen ermittelt haben?«, bat Joe und gab ihm seine Visitenkarte. »Ich informiere Robey darüber, was wir bisher haben.«
»Und das ist wirklich nicht viel, wenn man’s recht überlegt«, sagte Harvey. »Aber immerhin haben meine Jungs jetzt was zu tun, statt rumzusitzen und die Pro Rodeo News zu lesen.«
Joe stand auf, verabschiedete sich mit Handschlag und öffnete die Tür. Ehe er ging, entsann er sich einer Frage, die er bei seiner Ankunft hatte stellen wollen.
»Sie sagten, Stuart Tanner gehörte eine Firma namens Tanner Engineering?«
Harvey nickte. »Stimmt, mit Sitz in Texas, aber die Familie hat seit Jahren eine Hütte in unserem County, und dort hat er gern gewohnt, wenn seine Firma in dieser Gegend zu tun hatte.«
»Wissen Sie, in welcher Branche Tanner Engineering tätig war?«
Während der Sheriff in der Akte blätterte, fiel Joe etwas ein. Terry Montegue hatte gesagt, sein Bruder habe für »Turner Engineering« gearbeitet. Ob er Tanner Engineering gemeint hatte? Es durchzuckte ihn innerlich.
Harvey hatte die Akte durchgesehen und blickte auf. »Hier
steht nichts darüber, womit er sich beschäftigt hat. Ich fühle mich ganz schön dumm, nicht selbst auf den Gedanken gekommen zu sein, in diese Richtung zu recherchieren. Um ehrlich zu sein, haben wir darauf gewartet, dass es in Twelve Sleep einen Durchbruch gibt.«
So ist es wohl gewesen, dachte Joe.
»’ne Menge neuer Stoff zum Nachdenken«, sagte Harvey mehr zu sich. »Falls ein Perverser Stuart Tanner getötet und verstümmelt hat, hat er sich dann auch an all dem
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