Kalte Spur
den 1980ern waren die Breaklands voller Schafe gewesen. Joe hatte an einer Wand in Stockman’s Bar Fotos aus den 40er und 50er Jahren gesehen, auf denen Schafe das Gras der Dreadnought Breaklands kurzgefressen hatten, so weit das Kameraauge reichte. Noch immer gab es dort einige Herden mit mexikanischen oder baskischen Schäfern, aber längst nicht mehr so viele Tiere wie einst.
Joe verlangsamte sein Tempo, hatte ein Auge auf die aufs Armaturenbrett montierte GPS-Ortung und hielt gleichzeitig nach Nate Romanowski Ausschau. Er scheute sich angesichts des nahenden Abends, die Straße zu verlassen, da das Netz aus Canyons und kleinen Schluchten ihm den Weg versperren, ihn isolieren oder ihn sogar stecken bleiben lassen konnte.
Als er auch nach längerem Suchen keine Piste ins Gelände fand, begriff er, dass er früher hätte rechts abbiegen müssen. Er blieb stehen und studierte eine recht mitgenommene topografische Karte, um herauszufinden, ob es eine andere befestigte Zufahrt dorthin gab, wo der Bär geortet worden war. Eine alte Piste führte genau von der anderen Seite in das Gebiet, doch es würde wohl fast eine Stunde dauern, dorthin zu gelangen. Also musste er sich von seinem Standort aus querfeldein wagen.
Auf dem Boden des Pick-ups lag ein Plastikkoffer mit einem Betäubungsgewehr, das einen dicken Pfeil abfeuerte, der mit einem außer Gefecht setzenden Sedativum geladen war. Laut Warnung auf der Pfeilschachtel war das Beruhigungsmittel hochkonzentriert und nur für Tiere von über zweihundert Kilo bestimmt. Für Menschen war die Dosis tödlich. Nachdem er einen halben Kilometer im Rückwärtsgang die leere Kreisstraße entlanggefahren war, bremste er, schlug das Lenkrad so ein, dass die Schnauze des Autos in die Breaklands zeigte, schaltete auf Allradantrieb und fuhr in der frühen Abenddämmerung langsam durchs Gesträuch. Die Reifen begruben den Salbei unter sich, und der durchdringende, wacholderähnliche Geruch würzte die rasch abkühlende Luft. Wie üblich ließ er die Seitenfenster offen, um besser zu sehen und zu hören. Als die Vorderreifen kurz in eine unter Gestrüpp versteckte, dreißig Zentimeter tiefe Rinne tauchten, langte er intuitiv nach rechts, damit Maxine nicht vom Sitz stürzte, ehe ihm einfiel, dass er sie gar nicht dabeihatte.
Eine knappe halbe Stunde nach Verlassen der Straße bemerkte Joe im Rückspiegel zwei hüpfende Scheinwerfer. Das Auto war mindestens zehn Minuten hinter ihm und schien der Schneise zu folgen, die er in Gras und Gesträuch geschlagen hatte.
Wer mochte ihm folgen? Wer wusste überhaupt, wo er war? Vielleicht hatte Nate seine Nachricht doch bekommen.
Weil er in den Rückspiegel schaute und nicht auf den Weg achtete, versank das linke Vorderrad in einem gewaltigen Dachsloch, und der Wagen kam abrupt zum Stehen. Das Lenkrad ruckte nach links, und Landkarten, Notizen und andere Unterlagen regneten von der Sonnenblende, hinter die
er sie mit einem Gummiband geklemmt hatte, auf ihn herab. Der Motor ging aus. Joe sammelte die heruntergefallenen Papiere auf und schob sie zwischen die Sitze. Als er hochsah, trieb träger Staub in den Kegeln seiner Scheinwerfer, und die orangerot und riesig sinkende Sonne tauchte die Landschaft in ein herrliches Licht.
Mit sich zusammenschnürender Brust schaute er erneut in den Rückspiegel. Da er in einer Mulde gestrandet war, konnte er die Scheinwerfer hinter sich nicht sehen. Er drehte sich auf dem Sitz herum und blickte durch die Heckscheibe, konnte den anderen Wagen aber nicht entdecken.
War es Nate? Er würde es erst aus kürzerer Entfernung sicher beurteilen können. Nates Jeep hatte einen klar erkennbaren Kühlergrill und charakteristische Frontscheinwerfer, was den Wagen von vorn wie das Gesicht einer Eule aussehen ließ.
Was, wenn es nicht Nate war? Wenn jemand auf der gleichen Frequenz wie das Bärenhalsband gesendet hatte, um die Biologen zu alarmieren und ihn in diese Gegend zu locken? Sie war zwar der US-Naturschutzbehörde vorbehalten, doch die von den meisten Jägern und Anglern bevorzugten Handfunkgeräte konnten, auch wenn das unzulässig war, auf der gleichen Welle senden.
Oha, dachte Joe. Ob ihm Zeit genug blieb, die Flinte klarzumachen, ehe der andere Wagen ihn eingeholt hatte?
Dann drangen Scheinwerfer durchs Gestrüpp, und Joe erkannte den Kühler eines Jeeps. Nate streckte den Kopf aus dem Fenster.
»Hey, Joe. Ich hab deine Nachricht auf dem AB gehört und bin gleich gekommen.«
Joe seufzte und
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