Kalte Spur
komm gerade von seinem Stellplatz.«
Jimbo ließ die Harke in den Laubhaufen fallen. »Was weiß ich, er muss in der Nacht abgedampft sein. Hat alles bezahlt und schuldet mir nichts. Aber er hätte sich immerhin verabschieden können. Dann hätte ich gewusst, dass ich den Platz wieder vermieten kann.«
»Haben Sie ihn denn nicht wegfahren hören?«
Jimbo zeigte auf sein rechtes Ohr. »Ohne Hörgerät geht
nichts mehr. Und zum Schlafen nehm ich’s raus. Er dürfte also gefahren sein, nachdem ich ins Bett gegangen bin.«
»Und wann war das?«
»Warten Sie. Ich hab Nachrichten gesehen und dann ein bisschen geschmökert. Kennen Sie Harry Potter?«
Joe hatte die Bücher gelesen, wollte darüber aber jetzt nicht sprechen.
»Ich bin süchtig danach«, fuhr Jimbo fort. »Bin jetzt beim dritten Buch. Hätte nie gedacht, dass ich mich mal für einen kleinen englischen Waisenjungen interessieren würde, aber …«
»Jimbo, wann haben Sie sich hingelegt?«
Aus der Miene des Platzwarts wich die Begeisterung, und er dachte kurz nach. »Das muss nach halb zwölf gewesen sein. Ich schätze, da hab ich mich hingehauen.«
Deenas letzte Mail an Joe war um Viertel nach elf verschickt worden. Darin hatte sie nichts von einem Aufbruch erwähnt. Vielleicht hat sie es da noch nicht gewusst, dachte Joe, und ihm wurde wieder übel. Vielleicht hat Cleve meine Antwort über Deenas Schulter hinweg gelesen und daraufhin beschlossen, dass sie sofort fahren müssen.
Welchen Unterschied macht es eigentlich, wann sie gefahren sind?, überlegte er dann. Wichtig ist allein, dass sie weg sind und es für nötig gehalten haben, mitten in der Nacht zu verschwinden.
Warum?
An der Grenze nach Park County rief Joe Hersig an, berichtete von Cleve Garretts Verschwinden und erwähnte Deenas Mails.
»Man sollte die zwei zur Fahndung ausschreiben«, sagte er.
»Ihren Wagen und den riesigen Airstream aufzutreiben, dürfte nicht schwer sein.«
Hersig zögerte.
»Was gibt’s«, fragte Joe.
»Wir haben keinen Grund, Garrett aufzuhalten. Jeder hat das Recht, seinen Wohnwagen von einem Ort zum anderen zu schaffen.«
»Und was ist mit Deena?«
»Was soll mit ihr sein? Können Sie ernstlich Argumente dafür liefern, dass sie in Gefahr ist? Oder bedroht wird? Nach dem, was Sie mir erzählt haben, hat sie nicht mal angedeutet, Schwierigkeiten zu haben. Es klingt nicht so, als hätten wir auch nur die leiseste Handhabe.«
Joe betrachtete sein Handy und blickte finster drein. Dann setzte er es wieder ans Ohr. »Wie gesagt, kaum hatte Deena mir die Mail geschickt, sind die beiden losgefahren. Sie wollte mir heute Morgen etwas erzählen, das sie für wichtig hielt. Ich sage Ihnen: Garrett hat Dreck am Stecken. Wieso wäre er sonst so rasch aus Saddlestring verduftet, nachdem er mich vor Tagen erst angefleht hat, ihm einen Platz in der Arbeitsgruppe zu verschaffen? Ich glaube, er wird ihr etwas antun, wenn er das nicht schon getan hat.«
»Mensch, Joe …«
»Verdammt, Robey, wenn wir ihre Leiche finden, erinnern Sie sich hoffentlich noch an dieses Gespräch!«
Hersig seufzte. »Gut, ich geb der Autobahnpolizei Bescheid. Aber wenn er ausfindig gemacht ist, brauchen wir mehr als das, was Sie mir gerade erzählt haben, um den Wohnwagen zu durchsuchen oder den Kerl festzunehmen. Wenn sie bei ihm ist und unbehelligt wirkt, müssen wir ihn weiterfahren lassen.«
Joe hoffte, dass Garrett – falls man ihn anhielt – etwas preisgab,
das Grund zu näherer Untersuchung lieferte. Wenigstens wüsste Joe dann, ob Deena bei ihm und wohlauf war.
Vielleicht hat Barnum ja recht, dachte er, als er an der Stadtgrenze von Cody abbremste. Vielleicht weiß ich wirklich nicht, was ich tue.
Dan Harvey, der Sheriff von Park County, war bereit gewesen, sich mit Joe zu treffen und die Akten zu Stuart Tanners Tod mit ihm durchzugehen. Harvey wirkte jünger und lockerer als beim Arbeitsgruppentreffen. Vielleicht fühlte er sich in seinem eigenen Revier einfach wohler.
Er bot Joe Kaffee an, und sie setzten sich ins Sheriffbüro, das größer und viel schmucker war als Barnums Rattenloch. Sogar Bücher standen in den Regalen.
»Ich habe Hilfssheriff Cook dazu gebeten. Er war als erster Polizist am Tatort.«
Joe nickte Cook zu, und der nickte zurück. Er schien ein fähiger Mann zu sein.
»Gibt’s was Neues in Twelve Sleep?«, fragte Harvey gerade, als eine Frau vom Empfang drei Einwegbecher zu ihnen brachte. Der Kaffee war so dünn, dass man den Boden sah.
»Brauchen
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