Kalte Spuren (German Edition)
Luxushotel wohnte, sondern eine Aufgabe zu erledigen hatte. Eileen drehte den Wasserhahn ab, griff nach einem großen Badetuch, wickelte sich darin ein und ging zur Tür.
»War zu schön, um noch länger zu dauern«, sagte sie.
»Sie können die Tür ruhig ganz öffnen.« Amandine stand direkt davor und lugte durch den Spalt.
»Wie wäre es mit frischen Sachen?«
»Nach dem Scan«, sagte die Kanadierin. »Nicht so schüchtern. Sie sind nicht die erste Frau, die ich nackt sehe.«
Seufzend schob Eileen die Tür auf und ließ das Badetuch fallen. Sie hob leicht die Arme an und wartete darauf, dass Amandine mit einem Handsensor ihren Körper auf Wanzen abtastete. Das Gerät schlug nicht aus.
»Sauber.« Die Frau lächelte und wandte sich um. »Sie finden im Kleiderschrank des Schlafraums eine Auswahl. Ich hole Sie in fünfzehn Minuten ab.«
»Captain’s Dinner?«, fragte Eileen, während sie das Badetuch aufhob und sich um Hüften und Brust schwang.
»So etwas Ähnliches.«
Amandine verließ das Quartier.
Barfuß lief Eileen quer durch den Wohnraum zu der zweiten Tür. Sie staunte nicht schlecht. Ein breites Himmelbett, eine begehbare Schrankwand, eine Kommode mit Spiegel und ein flauschiger Teppich erweckten tatsächlich den Eindruck, in einem noblen Hotel irgendwo auf dem Festland untergebracht zu sein.
Sie setzte sich auf die Bettkante und stützte das Gesicht in beide Hände. Für eine Minute dachte sie nach, überlegte, ob es irgendetwas gab, das sie tun konnte. Stylez war in Sicherheit. Damit war ihre erste Priorität erfüllt. Nun galt es, irgendwie an das Defector-Virus zu gelangen – doch damit war das Spiel noch nicht zu Ende. Sie musste irgendwie auch den Renegade-Stamm an sich bringen. Weder G-Dawn noch der Verbund der Generäle durften im Besitz des einen oder anderen Virenstammes sein. Es war nicht auszudenken, was diese biologischen Waffen in den Händen solch mächtiger Organisationen auszurichten vermochten.
Im Moment konnte Eileen jedoch nichts tun. Auch wenn G-Dawn sie auf ihre Seite ziehen wollte, war sie zunächst einmal nichts anderes als eine Gefangene an Bord der La Lumière. Sie musste wohl oder übel mitspielen. So lange, bis sich eine Gelegenheit ergab.
Eileen stand auf, wickelte sich aus dem Handtuch und öffnete den Kleiderschrank. Sie pfiff leise durch die Zähne. Die Garderobe war exorbitant und ließ jedes Frauenherz höher schlagen. Abendkleider, Freizeitanzüge, Business-Outfits, Sportkleidung, Schuhe und Stiefel in allen möglichen Varianten. Es schien an nichts zu mangeln.
»Na, mal bloß gut, dass ich die Ghost Card gerade abgegeben habe.« Vielleicht hätte sie sich für ein echtes Galadinner mit dem Kapitän eines Luxusdampfers tatsächlich in einem Abendkleid in Schale geworfen. Doch an Bord der La Lumière war zweckmäßige Kleidung angesagt. Sie wählte Sport-BH und Slip, dazu schwarze Söckchen, absatzlose Halbstiefel, eine dunkelblaue Jeans und einen schwarzen Rolli. Die Sachen passten perfekt, als hätte sie jemand ausschließlich für sie gekauft und hier bereitgehalten. Als Eileen fertig angezogen war und ihr Haar geföhnt hatte, klopfte es an der Zimmertür.
Amandine. Die Kanadierin musterte Eileens Outfit und nickte dann.
»Kommen Sie. Der Boss wartet bereits.«
15:20 Uhr
Trotz der Vorsichtsmaßnahme mit dem falschen Wagen, hatte Gwendolyn Stylez den Ford Fusion bereits in Mount Pearl einfach an einem Straßenrand stehen lassen und sich mithilfe der Ghost Card beim nächsten Autohändler einen anderen, unauffälligen Gebrauchtwagen gekauft. Wie Eileen es ihr geraten hatte, kleidete sie sich auch komplett neu ein und warf ihre alten Sachen in eine Mülltonne. Von Neufundland nahm sie die Fährverbindung zum kanadischen Festland nach Neuschottland und fuhr nach Süden bis Halifax.
Erneut parkte sie den Wagen irgendwo in einer leeren Seitengasse und fuhr mit dem Bus einige Stationen, bis sie einen Wagenhändler entdeckte. Dort kaufte sie einen nagelneuen GMC Sierra 2500HD Pick-up für knapp 40 000 Dollar – Geld spielte keine Rolle.
Gwen besorgte sich einen Laptop und suchte sich einen öffentlichen W-LAN- Spot, um Zugang zum Internet zu erhalten. Ehe sie loslegen konnte, musste sie die erforderlichen Sicherheitsprotokolle installieren. Sie musste quasi bei null anfangen. Es gab rund um den Globus verstreut einige Verstecke des Verbundes und auch der Abteilung Atlantas, in denen sichere Geräte und Waffen lagerten. Leider war Gwen in Halifax weitab
Weitere Kostenlose Bücher