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Kalte Stille - Kalte Stille

Titel: Kalte Stille - Kalte Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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ebenfalls zu ihm durch das Unterholz vorarbeitete. Er verzog schmerzvoll das Gesicht, als ihn die Dornen der Büsche durch seine Stoffhose in die Haut stachen.
    »Alfred hatte ihm von den Unterirdischen berichtet.
Und von der Madonna mit den Klauenhänden. Nun, hier ist sie.«
    Jan zeigte auf ein kleines gerahmtes Marienbild, das in die glatte Rinde eingewachsen war. Im Lauf der Jahrzehnte, die das Bild dort schon hing, war es vom Sonnenlicht ausgebleicht und blaustichig geworden, aber man konnte das Antlitz der Gottesmutter noch gut erkennen.
    »Dann sind wir also doch richtig«, sagte Rauh und befreite seinen Jackenärmel aus dem Griff eines dornigen Astes. »Das muss noch vom alten Wagner stammen.«
    Jan tätschelte den Buchenstamm. »Ja, und man muss auf dieser Seite stehen, um das Bild sehen zu können.«
    Mürrisch dreinblickend wischte sich Rauh über seine Hosenbeine. »Freiwillig steigt sicherlich niemand durch dieses Gestrüpp. Dafür braucht man einen guten Grund.«
    »Wahrscheinlich denselben Grund, weshalb man diese Sträucher überhaupt hat wuchern lassen. Also sollten wir uns hier mal ein wenig genauer umsehen.«
    »Ich sehe schon, ich bin für den Anlass eindeutig falsch gekleidet«, seufzte Rauh.
    »Die Wahrheit verlangt ihre Opfer«, entgegnete Jan und schob sich weiter durch die Büsche.
    Auf dem Boden lag kaum Schnee. Das meiste davon hatten die Büsche abgefangen, der Rest glich einer Schicht aus feinem Puderzucker. Jan hob einen morschen Ast auf und begann, damit zwischen Wurzeln, Ästen, Tannenzapfen und trockenen Nadeln herumzustochern. Mit jedem Schritt, den er tat, zupften Äste und Dornen an seiner Kleidung. Er hielt sich links, während Rauh die rechte Hälfte des Dickichts absuchte. Nach nur wenigen Metern blieb Rauh plötzlich stehen.
    »Hier!«

    Jan kämpfte sich zu ihm durch. Die rostige Bodenluke war im braunen Waldboden kaum zu erkennen.
    »Jede Wette, dass das kein Gullydeckel ist«, sagte Rauh triumphierend.
    »Wohl kaum«, stieß Jan hervor. Ein mulmiges Gefühl beschlich ihn, doch Rauh hockte sich bereits nieder und machte sich an der Luke zu schaffen.
    Jan ging ihm zur Hand. Gemeinsam fassten sie den flachen Griff und zogen daran. Die Luke war schwer, ließ sich aber erstaunlich leicht aufklappen.
    »Jemand muss sie vor kurzem geschmiert haben.« Jan fuhr mit dem Finger über das Fett am Scharnier. Es war noch weich.
    »Das heißt, dass dieser Bunker noch genutzt wird«, schlussfolgerte Rauh. »Für was auch immer.«
    Jan schaute in das Loch, in dem eine Metallleiter in die Dunkelheit führte. »Amstner hat gesagt, dass Alfred oft für Tage oder Wochen im Wald gewesen ist. Ich denke, er wird sich hier verkrochen haben.«
    Rauh legte die Stirn in Falten und sah Jan von unten herauf an. »Denken Sie dasselbe wie ich?«
    Jan erwiderte seinen Blick und spürte, wie das mulmige Gefühl stärker wurde. »Wenn mein Vater wirklich zum Waldparkplatz unterwegs gewesen ist, und der Entführer Sven hier unten versteckt hat … Und wenn Alfred der Einzige gewesen ist, der von diesem Bunker wusste …«
    »Dann muss er der Entführer gewesen sein«, vollendete Rauh den Gedanken.
    »Aber wieso sollte ein Zwölfjähriger einen kleinen Jungen entführen?« Irritiert fuhr sich Jan durchs Haar. »Was für einen Sinn sollte das gehabt haben?«
    »Leider werden wir ihn das nicht mehr fragen können«,
sagte Rauh, der nun ebenfalls in das dunkle Loch starrte. »Außerdem ist noch nicht erwiesen, dass es wirklich so gewesen ist. Vielleicht war Ihr Bruder gar nicht hier. Alfred hat zwar behauptet, ihn hier gehört zu haben, aber das kann eine Wahnvorstellung gewesen sein. Immerhin wissen wir jetzt, dass er häufiger die Wahrheit gesagt hat, als wir geglaubt haben, aber er litt dennoch unter Halluzinationen.«
    Noch immer sahen sie in das dunkle Loch hinab. Jans Magen rebellierte. Ihm war speiübel. Er hatte immer geglaubt, seine größte Furcht gelte der Ungewissheit. Aber jetzt, wo er die Antwort auf die Fragen, die er sich seit über zwei Jahrzehnten stellte, möglicherweise endlich erhalten würde, war seine Furcht größer als je zuvor.
    Vielleicht, weil diese Antwort endgültig war. Danach gab es kein Hoffen mehr. Wenn er Svens sterbliche Überreste dort unten fand, konnte er sich nicht mehr einreden, dass sein Bruder vielleicht doch noch irgendwo am Leben war.
    Aber wenigstens weiß ich es dann mit Sicherheit, sagte der vernunftgesteuerte Teil seines Verstandes. Bring es hinter dich, ermahnte er

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