Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kalte Stille - Kalte Stille

Titel: Kalte Stille - Kalte Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
Vom Netzwerk:
schimmerte
es wie dunkle Seide. Und das Grün ihrer Augen habe ich bisher nur in besonders reinen Smaragden wiederentdeckt. Sie war eine Königin, Jan, eine wahre Hoheit. Jede ihrer Bewegungen war Ausdruck ihrer Persönlichkeit - stolz und wissend, dass ein Wort von ihr genügte, um sich die Welt untertan zu machen.«
    Er machte eine verlegene Geste. »Ja, ich weiß, es klingt schwärmerisch, aber ich übertreibe nicht. Müsste ich sie in einem Wort beschreiben, so würde ich sagen, sie war perfekt. Damit meine ich selbstverständlich nicht nur ihr Aussehen. Das Gefühl, das ich in ihrer Nähe empfand, hätte ein großer Dichter wohl als die einzig wahre, allumfassende Liebe bezeichnet. Es war Magie, Jan. Ich war in ihrem Bann, von dem Moment an, als ich sie zum ersten Mal sah.«
    Jan stieß ein verbittertes Lachen aus. Fleischer sah ihn irritiert an. »Was gibt es da zu lachen?«
    »Wollen Sie mir allen Ernstes erzählen, dass eine Liebesgeschichte der Grund ist für all die Verbrechen?«
    »Du hast nicht die geringste Ahnung.« Fleischer funkelte ihn wütend an. »Du scheinst ja nicht einmal zu ahnen, wie es ist, wenn man eine Frau über lange Zeit nur aus der Ferne bewundern kann, weil man sonst Luft für sie ist. Wer war ich damals schon? Ein langer, schmächtiger Kerl mit Flausen im Kopf, nicht mehr. Aber ich kam nicht von ihr los, ganz gleich, wie sehr ich mich auch bemühte. Wirklich, ich habe mich bemüht , von ihr freizukommen, aber es war, als würde ein kleines unbedeutendes Stück Metall versuchen, einem gewaltigen Magneten zu entkommen. Unmöglich. Ja, mein Junge, ich war süchtig nach ihr. Ich hätte für einen Moment in ihrer Nähe alles gegeben. Ein Leben ohne sie war für mich nicht mehr vorstellbar.«

    Er griff in seine Hosentasche und zog einen silbernen Gegenstand daraus hervor. Jan erkannte Rauhs Feuerzeug wieder. Als er sah, wie sich Fleischer damit den Kerzen näherte, zuckte er zusammen. Zwar waren es dickbauchige Kerzen, die nach innen abbrannten und einen Wachsrand hinterließen, aber dies hier war ein Munitionsdepot, und die Kerzen standen auf Kisten, in denen sich allerlei Explosives befand.
    »Ich würde das nicht tun«, rief Jan. »Oder wollen Sie uns in die Luft jagen?«
    Lächelnd sah Fleischer sich zu ihm um. »Hast du Angst vor dem Tod?«
    Jan schwieg, und Fleischer ließ das Feuerzeug wieder in seiner Hosentasche verschwinden. »Ich hätte damals liebend gern mein Leben hingegeben für Carmen. Aber das hätte sie wohl kaum beeindruckt. Ich habe daher angefangen zu trainieren. Ich habe auf mein Äußeres geachtet, um mit den anderen jungen Männern mithalten zu können, wenn ich ihnen schon in materieller Hinsicht unterlegen war, denn meine Eltern hatten nicht viel Geld. Das versuchte ich durch Gelehrsamkeit auszugleichen. Ich lernte wie ein Wahnsinniger, stopfte mich mit Wissen voll. Die Bibliothek wurde sozusagen meine zweite Heimat.«
    Fleischer verfiel wieder in seine Dozentenrolle. Die Hände hinter dem Rücken, ging er vor dem seltsamen Altar auf und ab. »Dieser Ehrgeiz verlieh mir ungeahnte Kräfte. Innerhalb kürzester Zeit wurde ich zum Klassenbesten in allen Fächern, und bald schon hatte ich den Ruf eines wandelnden Lexikons. Viele kamen mit ihren Fragen zu mir, wollten Nachhilfe in Mathematik, Physik oder Sprachen, und ich half jedem von ihnen.«
    Während Jan ihm zuhörte, ließ er Fleischers Hand mit
der Pistole keinen Moment aus den Augen. Er durfte sich nicht bewegen, durfte Fleischer nicht aus seinem Redefluss bringen. Alles, was er jetzt tun musste, war stillsitzen, Fleischer am Reden halten und auf baldige Hilfe hoffen.
    »Keiner dieser Mitschüler hat mir je irgendetwas bedeutet«, fuhr Fleischer fort. »Auch wenn mich einige gern als ihren besten Freund bezeichneten. Ich tat es einzig nur ihretwegen. Ich war geradezu besessen von dem Wunsch, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Und schließlich ging mein Plan auf. Es war kurz vor dem Abitur, als sie mich fragte, ob ich an einer Lerngemeinschaft teilnehmen wolle. Unter ihren Freunden gab es zwei Mitschülerinnen, deren Erfolgschancen auf das Bestehen der nächsten Prüfung äußerst gering waren. Natürlich war ich sofort zur Stelle. Ich half, so gut ich konnte, und die beiden bestanden tatsächlich. Carmen freute sich. Einmal meinte sie sogar, sie bewundere mein Feingefühl für Menschen, die Art, mit der ich Wissen vermitteln konnte, und dass sie sicher sei, dass ich es eines Tages ganz weit bringen würde.«
    Er

Weitere Kostenlose Bücher