Kalte Stille - Kalte Stille
Holzstuhl, vor sich ein Halbliterglas dunkles Bier und einen bereits gut gefüllten Aschenbecher.
»Meine Stammkneipe«, meinte er zur Begrüßung. »Hier sind wir unter uns.«
Jan machte Liebwerk und Marenburg miteinander bekannt.
Liebwerk grinste. »Marenburg«, wiederholte er. »Das ist also das private Interesse an der Akte.«
»Privates Interesse?« Marenburg sah Jan fragend an, aber der ging nicht darauf ein.
»Erst einmal sollte uns Herr Liebwerk sagen, was
denn nun so brisant ist, dass man es nicht am Telefon besprechen kann.«
Noch bevor Liebwerk antworten konnte, erschien ein bulliger Kerl - ganz offensichtlich der Wirt - an ihrem Tisch und fragte nach ihren Bestellungen. Marenburg entschied sich für ein Altbier, und Jan orderte eine Cola, für die er einen mitleidigen Blick vom Wirt erntete.
Er knallte ihnen ein abgegriffenes Notizbuch auf den Tisch und stampfte davon.
»Sie müssen sich eintragen«, erklärte Liebwerk und steckte sich eine neue Zigarette an. »Hier ist Zutritt nur für Mitglieder.«
Jan schlug das Buch auf und las verwundert, wer laut dieser Liste Mitglied im »Spinnrad-Raucherclub« war. Dann schrieb er zwei Namen dazu. Nun zählten nicht nur Oliver Kahn, Dieter Bohlen, Harald Schmidt und Günther Jauch zu den Stammgästen dieser Kneipe, sondern auch Ulla Schmidt und Horst Seehofer.
»Muss sein«, sagte der Wirt, als er ihnen ihre Getränke brachte, und nahm das Buch wieder an sich. »Ich mach die Gesetze ja nicht.«
Die drei Männer erhoben ihre Gläser und tranken, dann wandte Jan sich wieder Hieronymus Liebwerk zu, der mit zitternden Händen das Zellophanpapier von einem neuen Zigarettenpäckchen entfernte.
»Also, kommen wir zur Sache. Was haben Sie denn so Wichtiges entdeckt?«
Liebwerk rückte seinen Stuhl näher an den Tisch und beugte sich zu ihnen vor. »Etwas in meinem Archiv ist nicht ganz koscher, Doktor. Durch Sie bin ich gewissermaßen darauf aufmerksam geworden.«
»Durch mich?«
Liebwerk leckte sich die Lippen und ließ den Blick
durch den Raum schweifen, ehe er weitersprach. Bei ihren bisherigen Begegnungen hatte Jan den Archivar stets selbstsicher und etwas zynisch erlebt, doch nun schien er unruhig und nervös.
»Kurz nachdem Sie heute gegangen waren, bekam ich etwas Neues für die Ablage herein. Ein Polizeiprotokoll, das einer Akte beigelegt werden sollte. Diese Akte befand sich im Stapel mit den Neuzugängen, den ich noch einsortieren musste.«
»Und?«
Liebwerk zog an seiner Zigarette, inhalierte tief, und als er weiterredete, wurde jedes seiner Worte von einer kleinen Rauchwolke begleitet.
»Ich habe etwas sehr Seltsames entdeckt. Wissen Sie, wenn Sie erfolgreich ein Archiv betreiben wollen, brauchen Sie vor allem zwei Dinge: ein gutes Namensgedächtnis und strikte Arbeitsabläufe. Wenn man kein zuverlässiges Ablagesystem entwickelt, kommt man schnell ins Schleudern. Deshalb sortiere ich die eingehenden Akten immer gleich nach Namen vor, ehe ich sie in die Registerkästen packe. Meist warte ich, bis ein kleiner Stapel zusammengekommen ist, dadurch spare ich Zeit und Arbeit, weil ich nicht wegen jeder einzelnen Akte auf der Regalleiter herumturnen muss. Schließlich bin ich nicht mehr der Jüngste.«
»Das ist ja alles hochinteressant«, unterbrach ihn Jan, »aber wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie auf den Punkt kommen würden.«
»Gemach, gemach«, sagte Liebwerk und drückte seine Kippe aus. »Das mit dem Stapel müssen Sie wissen, sonst verstehen Sie nicht, was ich mit seltsam meine. Als ich nun heute Nachmittag dieses Polizeiprotokoll bekommen habe und es in die Akte legen wollte, fiel mir
auf, dass der Stapel durcheinander war. Das Alphabet stimmte nicht mehr. Die Akte, nach der ich suchte, lag ganz zuunterst, dabei hätte sie eigentlich an eine höhere Stelle gehört. Und ich bin mir absolut sicher, dass ich sie richtig einsortiert hatte. Also, wer sollte diesen Stapel durcheinandergebracht haben? Immerhin bekomme ich dort unten so gut wie nie Besuch. Jeder schickt mir sein Zeug nur mit der Hauspost, und nach Feierabend ist das Archiv geschlossen.«
Ein Hustenanfall schüttelte Liebwerk. Er lief tiefrot an. Jan und Marenburg wechselten schon besorgte Blicke, als der Archivar schließlich fortfuhr: »Also habe ich mich ein wenig genauer in meinem Archiv umgesehen. Zunächst fand ich keine weiteren Spuren eines möglichen Eindringlings. Wie auch, das Archiv ist groß. Doch dann entdeckte ich doch noch etwas. Die Tür zum großen
Weitere Kostenlose Bücher