Kalte Wut
sein, Tweed im Stich zu lassen.«
»Er hat ihm die Erde angeboten – und den Mond obendrein«, bemerkte Marier. »Ich kann mich nicht erinnern, daß ich mich bereit erklärt hätte, seine Anweisungen zu befolgen – nicht, daß er nicht imstande wäre, die Führung zu übernehmen.«
»Ich kann mich auch nicht erinnern«, erklärte Newman.
»Ich mußte Philip festnageln, bis wir bei ihm sind«, sagte Tweed. »Ich hatte das Gefühl, daß er im Begriff ist, irgendwohin zu verschwinden. Sobald ich mit Ihnen allen eintreffe, wird er meine Autorität akzeptieren.«
»Philip ist durchaus imstande, allein zu operieren«, bemerkte Nield, der neben Butler auf einer Couch saß. »Aber ich glaube nicht, daß er schon voll und ganz begriffen hat, mit wem wir es zu tun haben.«
»Sie fliegen also mit uns nach Deutschland?« erkundigte sich Paula bei Tweed.
»Ja.« Er warf einen Blick zu dem anderen Schreibtisch, an dem seine getreue Assistentin alles festhielt. »Monica hat die ganze Nacht und den ganzen Tag durchgearbeitet, also hört euch an, was sie herausbekommen hat.«
»Alle Wege führen nach München«, sagte Monica. Dann begann sie mit ihrem Bericht.
»Zuerst der Stammbaum von Gabriel March Walvis, dem Geheimnisvollen. Alter unbekannt. Aussehen – Kuriere haben mir drei Pressefotos gebracht und eines aus einer Zeitschrift. Möchten Sie sie ansehen?«
Sie scharten sich alle um ihren Schreibtisch, auf dem sie die vier Fotos ausgebreitet hatte. Marier, der an der Wand gelehnt und eine King-Size-Zigarette geraucht hatte, kam gleichfalls herbei, betrachtete die Fotos und pfiff durch die Zähne.
»Washington, London, Berlin, Moskau. Das ist jedesmal ein anderer.«
»Richtig«, sagte Monica. »Und ich wette, daß keiner von ihnen der wirkliche Walvis ist. Machen Sie sich’s bequem, bevor ich weiterrede. Aussehen unbekannt. Herkunftsland unbekannt. Ich habe mit drei verschiedenen Informanten gesprochen. Einer sagte, er wäre in Prag geboren, ein anderer, in London, und der dritte nannte Istanbul. Aber eines steht fest – über International & Cosmopolitan Universal Communications kontrolliert er das größte Netzwerk von Zeitungen, Nachrichtensatelliten und Radio– und Fernsehstationen in der Welt. Er strahlt sogar Nachrichten nach China aus und hat den pazifischen Raum fest im Griff.«
»Wo hat er das Geld dazu her?« fragte Newman. »Ich nehme an, er hat es von vierzig oder fünfzig Banken geliehen, die sich nicht getrauen, die Darlehen zurückzufordern.«
»Falsch«, erklärte Monica. »Völlig falsch, obwohl ich zugeben muß, daß ich dasselbe vermutete, bis sich meine Finanzexperten an die Arbeit machten. Walvis kontrolliert die Banken, mit denen er Geschäfte macht. Sie gehören ihm.«
»Dann muß er mit einem verdammt großen goldenen Löffel im Mund auf die Welt gekommen sein«, vermutete Marier.
»Wieder falsch. Aber Gold ist der Schlüssel. Das verläßlichste Gerücht – aber trotzdem nicht mehr als ein Gerücht – besagt, daß er aus einer Bauernfamilie in Osteuropa stammt und sich alles, was er weiß, selbst beigebracht hat. Und jetzt etwas, das den Tatsachen am nächsten zu kommen scheint. Als junger Mann lieh er sich tatsächlich Geld von einer kleinen Bank und investierte es in einer neuen australischen Goldmine, die Mount Isa heißt. Die Aktien stiegen von drei Pence auf zehntausend Pfund. Er hatte eine Unmenge davon gekauft. Als sie fast ihren Höchststand erreicht hatten, stieg er aus, verkaufte die Aktien und erwarb sie in einem Leerkauf zurück. Er heimste ein zweites riesiges Vermögen ein, als die Aktien in den Keller stürzten und die Seifenblase zerplatzte. Nach dem Ende dieses kleinen Geschäfts war Walvis der reichste Mann der Welt. Das war der Anfang.«
»Netter Anfang«, bemerkte Newman. »Weshalb weiß niemand etwas davon? Ich jedenfalls habe es nicht gewußt.«
»Weil er schon damals im dunkeln operierte«, erklärte Monica.
»Er benutzte Strohmänner – sechs Leute, um das ganze Ausmaß der Transaktion geheimzuhalten.«
»Und wie ist es Ihnen gelungen, es trotzdem herauszufinden?«
erkundigte sich Paula.
»Weil ich die richtigen Leute in Australien kenne. Ich habe mitten in der Nacht in Sydney angerufen, also während es in Australien Tag war. Walvis hat danach sofort die kleine Bank gekauft, von der er sich das Geld geliehen hatte – wieder, um seine Spuren zu verwischen. Dieser Job war wie das Aufspüren eines Phantoms. Vor vier Jahren hat er eine Frau namens Jill
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