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Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Titel: Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Toporski
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…«
    »Du sprichst doch genauso gut Polnisch wie die anderen Kinder hier. Und glaub mir: Von denen steckst du die meisten mit links in die Tasche!«
    »Ja, schon … Aber die Miliz und so – meinst du, die lassen mich einfach?«
    Bożena zögert ein wenig, aber dann sagt sie: »Mensch, über zwei Jahre ist der Krieg jetzt vorbei! Da wird es Zeit, dass endlich was geschieht! – Ich gehe hin und erkundige mich.«
    Und ich fliege ihr um den Hals, dass sie gar nicht weiß, wie ihr geschieht. Sie kann ja nicht ahnen, dass sie gerade meinen allergrößten Wunsch ausgesprochen hat. Das fehlt nämlich noch zu meinem »Paradiestraum«: wie andere Kinder zur Schule zu gehen und etwas zu lernen.
     
    Wir haben August und es ist Mittagszeit. Ganz unerwartet steht auf einmal Mama in der Tür, atemlos. Erschrocken starre ich sie an. Ich habe Angst, es könnte irgendwas Schreckliches passiert sein. Aber Mama strahlt, ganz offensichtlich freut sie sich.
    »Lena«, ruft sie, »Lena, komm schnell! Wir fahren nach Deutschland! Heute noch geht’s los!« Und grenzenloses Glück spricht aus ihrer Stimme.
    Ich weiß, dass ich mich jetzt genauso freuen sollte wie sie. Aber ich kann nicht! Ich will nicht hier weg! Nicht von Bożena und nicht von Hanka und Piotr. Ich will hier bleiben, wo es mir endlich einmal gut geht.
    »Warum soll ich denn hier weg?«, frage ich – und gleich weiß ich, dass das falsch ist.
    Mama starrt mich entgeistert an. »Aber wir fahren nach Deutschland! Wo wir hingehören.«
    Tausend Gedanken schießen mir auf einmal durch den Kopf. Was heißt das: nach Deutschland fahren? Was erwartet mich da? Ich habe Angst, alles zu verlieren, was mir im letzten halben Jahr an Glück zugeflogen ist. Ich habe Angst vor jedem Wechsel, denn nie weiß man, ob er nicht Gefahren birgt, die man erst später erkennt. Wir wären wieder unterwegs und ohne Heim, wären wieder ohne Schutz und Sicherheit, und wer weiß, was die Miliz alles mit uns vorhat. Hier fühle ich mich sicher, hier werde ich vor Unheil bewahrt, hier ist vor allem Bożena, der einzige Mensch, dem ich, außer Mama natürlich, rückhaltlos vertraue. Und Mama – das habe ich ja erleben müssen -, Mama kann mich nicht schützen! Sie ist selber all dem ausgeliefert, was man über sie verhängt, wird willkürlich hin- und hergeschoben, von einer Arbeit zur anderen, muss Schwerstes leisten, gleichgültig, ob sie dazu im Stande ist oder nicht. Und auf der Fahrt? Wer weiß, was da alles auf uns wartet! Und vielleicht überlegt sich die Miliz plötzlich alles wieder anders! Dann müssten wir wieder von vorne anfangen, mit nichts in den Händen, und vielleicht noch ganz woanders, wo keiner uns kennt! Das Wichtigste aber ist und bleibt, dass hier Hanka und Piotr sind, dass hier vor allem Bożena ist, die ich liebe und bei der ich mich zu Hause fühle.
    Die ganze Vergangenheit kommt auf einmal wieder hoch, das Grauen der Flucht, die Nacht, als Mama in ihrer Verzweiflung sich und uns den Tod geben wollte, die Männer, die in den Keller eindrangen, sodass wir hinaus in Nacht und Regen fliehen mussten. Die eisige Fahrt auf dem Wagen der Miliz zu den Leuten in der Kate, die Rohheit des Prüglers, die Peitschen der Jungen, alles.
    »Ich will hier nicht weg!«, sage ich leise.
    Und dann sehe ich, wie Mama die Tränen kommen.
    »Nein!«, rufe ich. »Nein, Mama!«
    Ihr aber laufen die Tränen nur so herunter.
    »Mama!« Ich umarme sie, schmiege mich an sie, versuche zu trösten, will ihr um alles in der Welt nicht wehtun. – Doch ich selber bin hin- und hergerissen zwischen meinem heißen Wunsch hier zu bleiben und der Notwendigkeit, nach Deutschland zu fahren. Zerrissen auch zwischen der Liebe zu Mama – jener Liebe, die mich mein ganzes Leben lang begleitet und getragen hat und die in den vergangenen zwei Jahren der einzige Schutz war, den ich besessen habe – und der anderen Liebe, der zu Bożena, durch die mitten aus der Nacht wieder ein Licht aufgetaucht ist, die mir die Zuversicht wiedergegeben hat, die mir die Fröhlichkeit und das Lachen wiedergeschenkt, die mich glücklich gemacht hat.
    Aber ich muss mich entscheiden, ich weiß es. Und es gibt nur einen einzigen Weg.
    Ich umarme Mama und sage: »Ich komm mit!«
    Doch es kostet mich Kraft, viel Kraft. Und irgendwie ist mein Herz noch nicht so weit wie mein Kopf. Ich weiß, dass ich mit Mama fahren werde, aber mein Herz hängt hier noch fest.
    Bożena legt mir den Arm um die Schultern und sagt ganz vorsichtig: »Freu dich

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