Kalter Amok
gestorben?«
»Meinst du Callgirls? Keine Straßennutten?«
»Nur Callgirls.«
»Nicht, daß ich wüßte.«
»Jetzt haben wir immerhin zwei innerhalb von drei Wochen. Diese Fotos bringen mich auf den Gedanken, daß die Steen etwas viel Komplizierteres laufen hatte als nur exklusive, teure Bumsereien mit Top-Managern. Ich fühle einfach, daß da noch etwas anderes dahinterstecken muß.«
»Etwas anderes.« Mooney zeigte sich unbeeindruckt.
»Du sagst, Sally hat ausschließlich mit der Croft gearbeitet, aber hier sind die Kielman zu sehen und ein paar andere Mädchen, die wir noch nicht identifiziert haben. Und ich erkenne die Croft auf keinem dieser einfarbigen Fotos.«
»Aber auch nicht Sally. Vielleicht hatte sie mit den Leuten auf den Fotos gar nichts zu tun. Vielleicht hat sie ihr jemand gegeben.« Mooney zeigte mit dem hinteren Ende seines Bleistifts auf eines der einfarbigen Fotos. »Verdammt, wie kommen wir eigentlich darauf, daß Sally etwas mit diesen Bildern zu tun hat?«
»Du sagst, du hättest nicht gewußt, daß die Kielman mit der Steen bekannt war, was bedeuten würde, daß sie sich kannten.«
»Ich habe es einfach so gesagt, ohne lange darüber nachzudenken.«
»Solche Gefühle sind oft sehr brauchbar«, erklärte Haydon. »Das ist noch besser als Logik. Und was sagst du dazu, daß die Kielman und die Steen ähnliche Symptome zeigten, bevor sie starben?«
»Stuart«, erwiderte Mooney, »diese Symptome sind so allgemein wie nur irgend etwas. Jede Krankheit vom Schnupfen bis zur schwarzen Pest beginnt mit Kopfschmerzen und Fieber.«
»Aber da ist noch mehr. Immerhin genug, daß man sich darüber Gedanken macht.« Haydon beugte sich in seinem Stuhl nach vorn und blickte auf das Fotoalbum, das vor Mooney auf dem Schreibtisch lag. Sandy Kielmans Gesicht lachte ihn an.
»Es stimmt: Hier ist genug, daß du dir darüber Gedanken machen kannst, Stuart. Dein Problem besteht darin, daß du anders denkst als die meisten. Damit kannst du dich in deinem Job halten. Aber ich werde dir was sagen: Eines Tages läßt du dich verleiten, und deine Intelligenz tritt zutage. Du überschätzt diese Leute, setzt bei ihnen zuviel voraus.«
»Ich möchte wissen, woran die beiden erkrankt sind.«
Mooney grinste. »Glaubst du vielleicht, daß sich in unserem Betondschungel ein unbekannter Bazillenträger herumtreibt, der unsere kleinen Mädchen mit TB infiziert?«
Haydon schwieg, dann langte er über den Tisch nach dem Album. »Ich glaube, ich leg’ mir das da unters Kopfkissen.«
»Keine schlechte Idee«, sagte Mooney.
7
Haydons Heimweg erforderte es nicht, die Schnellstraßen zu benutzen, die Houston wie die Saugarme von Polypen umgeben und die Stadt vom Golf von Mexiko her mit ihren erstarrten Adern aus schimmerndem Beton erwürgen. Statt dessen verließ er die Canyons aus Stahl und Glas in der Innenstadt mit ihren ewig neuen Baustellen und erreichte bald das alte Viertel Montrose. Ein palmenbestandener Boulevard führt dort durch eine innerstädtische Kommune, die so exzentrisch und irreal wirkt wie wenige in dieser nach allen Seiten ausgeuferten Stadt.
In Houston gibt es so gut wie keine Baubeschränkungen. Die einzige Autorität ist das Geld. Es ist der Antrieb für manischen Größenwahn, für ein Wachstum, welches so unkontrolliert und ungehindert vor sich geht, daß es ans Obszöne grenzt. Die Stadt liegt weit geöffnet vor einem da wie ein gieriges, nymphomanes Weib, das sich jedem freigiebig darbietet, der es sich leisten kann und der es besteigen will. Viele können es und tun es. Montrose ist einer der zahllosen Abkömmlinge ihrer Seitensprünge.
In den dreißiger und vierziger Jahren war Montrose ein Wohnviertel der oberen Mittelklasse gewesen. Zweistöckige Häuser mit hübschen Veranden und viel Grün dazwischen; sauber getrimmte Rasenflächen; Eichenalleen, wo man an Sommernachmittagen nicht viel mehr als das Klappern einer Fliegengittertür oder das Geräusch von Rollschuhen auf den Gehsteigen hörte.
Erstaunlicherweise war das erhalten geblieben. Vieles war jedoch hinzugekommen. Aus den jungen Müttern der vierziger Jahre waren die Witwen der achtziger geworden. Um die Häuser nicht zu verlieren, die sie nicht mehr halten konnten, hatten sie sie in Pensionen und Apartments für wohlhabende Collegestudenten und junge Karrieremenschen verwandelt, die noch nicht genug verdienten, um sich eine der teuren Apartmentwohnungen in den großen Komplexen der Innenstadt leisten zu können. Mitten
Weitere Kostenlose Bücher