Kalter Mond
klein, um als Mordwaffe zu dienen. Es hing an einer Schlüsselbundkette mit einem silbernen Medaillon.
Arsenault zog sich Handschuhe an und öffnete den Verschluss. Im Innern befand sich ein Schwarzweißfoto von einem Paar um die Mitte vierzig. Der Mann trug Uniform, doch das Bild war zu klein, um erkennen zu lassen, was für eine.
»Natürlich kann es genauso gut irgendeinem Camper gehören«, sagte Cardinal, machte sich aber dennoch eine Notiz.
»Ist gut in Schuss«, sagte Arsenault. »Hat vermutlich noch nicht lange da gelegen. Mit Sicherheit nicht über den Winter.«
Collingwood fand einen rostigen Eisenbahnschienenbolzen.
»Was hat so ein Bolzen hier zu suchen?«, fragte Delorme. »Die Schienen sind von hier doch mindestens zwei Meilen entfernt – hinter dem Highway, dem First-Nations-Reservat und einer Wohnsiedlung. Der ist nicht durch Zufall hierher gekommen.«
»Aber wir wissen nicht, ob der Mörder ihn hergebracht hat«, sagte Cardinal. »Und wieso sollte er? Als Waffe ist er nicht scharf genug.«
Der Bolzen wurde eingetütet und beschriftet.
Mehrere Stöcke tauchten auf, jeweils etwa zwei bis drei Zentimeter dick und einen Meter lang. Sie waren von einer Birke abgeschnitten und entrindet worden. Delorme fand sie unter einem Busch, ein Stück vom Fundort entfernt. Zuerst dachte sie dabei an ein Lagerfeuer. Sie waren genau richtig, um damit in einem Feuer herumzustochern oder um es damit überhaupt erst anzufachen. Doch alle drei waren etwa bis zur Hälfte verfärbt.
»Könnte Blut sein«, sagte Collingwood und deutete auf die farbigen Enden.
»Ein Experte für spitze und scharfe Waffen kann uns sagen, ob die Stöcke mit der Klinge des Schweizer Messers zugeschnitten worden sind«, sagte Arsenault. »Dann gleicht das Blut mit dem Opfer ab, die Stöcke mit dem Blut, das Messer mit den Stöcken, das Medaillon mit einer Person.«
»Arsenault hat den Fall gelöst«, sagte Cardinal. »Wir können alle nach Hause gehen.«
»Nein, ehrlich, ist doch so.«
»Natürlich«, sagte Cardinal. »Gut kombiniert.«
Collingwood steckte die Stöcke in eine große Papiertüte.
Cardinal ging noch einmal zur Rückseite des Wasserfalls.
Lise Delorme stand auf einer Granitplatte, einen Finger in einem Ohr, das Handy am anderen. Sie sprach ruhig ins Telefon. Etwas an ihrer Körperhaltung war sexy, doch Cardinal hätte nicht genau sagen können, was.
Sie schnappte ihr Handy zu und sah auf, so dass sich ihre Blicke trafen. »Kollegen vom Leichentransport«, sagte sie. »Sind bald hier. Klangen allerdings nicht eben enthusiastisch.« Sie wies mit dem Handy auf die Markierungen an der Höhlenwand. »Sagen die dir irgendwas?«
Cardinal trat näher an die Bilder heran, die seltsamen Zeichnungen von Pfeilen und Monden. Die Zahlendiagramme. »Ich weiß nicht. Ich denke mal, wir könnten es mit einer Art Satanisten zu tun haben.«
»Haben die’s nicht eher mit Pentagrammen? Davon sehe ich hier aber nichts. Und auch ganz mächtig mit Kerzen, glaube ich. An diesen Felsen kann ich nirgends Wachs entdecken.«
»Na ja, es gibt zwar keine astrologischen Zeichen, aber da unten ist eine Schlange. Keine Ahnung, was die gekreuzten Hämmer zu bedeuten haben.«
»Natürlich kann es durchaus sein, dass diese Zeichen mit dem Mord nicht das Geringste zu tun haben. Wombat war einBiker. Biker haben Feinde. Wir machen eine Liste und gucken, wer für die Mordzeit in Frage kommt.«
»Wenn du aus dieser Schweinerei hier einen Todeszeitpunkt ableiten willst, musst du aber schon mächtig Glück haben«, sagte Cardinal und deutete mit dem Daumen auf die Leiche.
Arsenault stand auf und strich sich die Knie seiner Hose sauber. Er hielt eine kleine Phiole in die Höhe. »Die hier werden uns dabei helfen, die Sache festzunageln.«
Delorme zuckte beim Anblick der wuselnden Madenmasse zurück.
Arsenault grinste. »Unsere Zeugen.«
11
W enig später fuhr Cardinal an der Seite von Arsenault und seinen Phiolen mit den »Zeugen« den Highway 11 entlang. Arsenault trug eine Panorama-Sonnenbrille. Zusammen mit seinem Schnurrbart und dem langen Haar verlieh sie ihm mehr das Aussehen eines Viking Riders als eines Cops.
»Wieso zum Teufel nehmen wir Angus Chin?«, wollte Arsenault wissen.
»Weil wir uns, wenn wir nach Toronto runterfahren, wie jeder andere anstellen müssen, und das wird die Sache nur verzögern. Außerdem verfügt Angus Chin über drei Universitätsabschlüsse in Biologie, Entomologie und Parasitologie, und er weiß verdammt
Weitere Kostenlose Bücher