Kalter Schlaf - Roman
gegeben haben.
Kate merkte, wie ihre Anspannung sich sehr deutlich verringerte.
»Ihre Familie lebt in Warley Woods, ein paar Meilen von hier. Weiß jemand, wie sie von Wolverhampton aus heimkommen wollte?«
»Mit dem Zug, sagen ihre Freundinnen«, antwortete Joe.
Bernie wirkte nachdenklich. »Ist sie bei diesem Plan geblieben und treffen die Zeugenaussagen in Bezug auf ein Taxi zu, dürfte sie auf dem Bahnhof entführt worden sein. Zweifelhafte Orte, Bahnhöfe. Ziehen alles mögliche Gesindel an. Andererseits werden die meisten von Kameras überwacht.«
Aber Joe schüttelte den Kopf. »Den Bahnhof hat sie nie erreicht. Ihre Freundinnen haben nur gesehen, dass sie in ein Auto gestiegen ist. Sie haben angenommen, es sei ein Taxi gewesen. Außer ›groß‹, ›viertürig‹ und ›hell lackiert‹ konnten sie es nicht näher beschreiben.«
Während Kate schweigend zuhörte, arbeitete ihr Verstand auf Hochtouren. Sie bezweifelte, dass die junge Frau, deren Anblick sie so schockiert hatte, unmittelbar nach der Entführung ermordet worden war. Wo hatte er sie gefangen gehalten? Doch gewiss nicht in einer Wohnung?
Sie begann, ihre Theorien über die bisherigen Fälle und die mögliche Bedeutung oder den Zweck des Täterverhaltens kritisch zu hinterfragen. Und sie überlegte, was diese Leiche ihnen gezeigt hatte.
Kate betrachtete die Aufnahmen erneut. Die schockierende Pose mit gespreizten Armen und Beinen. Das silberne Gewebeband. Und die um den Leichnam herum aufgestellten, brennenden Tischfeuerwerke.
Bernie drehte eines der Fotos mit der Zeigefingerspitze zu sich herum. »Mit dieser Aufbahrung hat er verdammt viel riskiert. Er musste die Leiche – und die Kleidungsstücke – arrangieren und dann das Feuerwerk aufstellen. Und es entzünden. Dabei hätte immer jemand vorbeikommen und ihn entdecken können.«
»Die Gegend ist ziemlich abgelegen, und es war sehr früh am Morgen«, sagte Kate.
»Ja, aber ich denke an diese Typen auf dem Land, die andere Zeiten gewöhnt sind als wir Städter. Seht euch Jackson an. Der war nachts im Wald unterwegs. Und es gibt genügend Hundebesitzer, die hätten vorbeikommen können. Das war ein verrücktes Risiko.«
Kate sah sich die Fotos noch mal an. Bernie hatte natürlich recht. Diese Aufbahrung war höchst riskant gewesen. Sie bewies, dass das zwanghafte Bedürfnis, das die Handlungen des Täters beherrschte, so übermächtig war, dass es sogar seine Angst davor, entdeckt zu werden, verblassen ließ.
Welches Bedürfnis befriedigte sie?
Wozu das Feuerwerk?
Solche Inszenierungen dienten gewöhnlich dazu, einem Mörder einen speziellen Kick zu verschaffen. Kate betrachtete die Fotos kopfschüttelnd einige Sekunden länger, dann sah sie zu ihren Kollegen und zeigte nacheinander auf die Fotos, während sie leise sagte: »Dies ist ein Tableau. Die Gesichtsmaske verkörpert ritualisiertes Verhalten. Genau wie das Gewebeband. Das Ganze ist sorgfältig durchdacht und von Fantasie beflügelt. Dies ist seine Signatur.« Sie starrte wieder die Aufnahmen an. »Alles war so geplant, dass jeder, der es zu sehen bekam, erschrecken würde. Mitten zwischen die Augen getroffen.«
Sie sah wieder ihre Kollegen an. »Und darin liegt das Problem. Der Aufwand war unvernünftig hoch. Das Tableau existierte nur … kurz. Wäre Jackson nicht zufällig in diesem Augenblick vorbeigekommen, wäre das theatralische Element – das Feuerwerk – ungesehen verpufft, auch wenn der Rest noch so schockierend war.«
»Kann dahinter nicht etwas stecken, das du schon mal angesprochen hast, Doc – ›Freizeitgestaltung‹?«
Kate fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar, betrachtete stirnrunzelnd die kleinen Fotos und sah von Bernie zu Joe hinüber. »Er hat so viel Aufwand getrieben. Ich kann nicht glauben, dass er das nur für sich selbst getan haben soll.«
»Du sagst es, Doc. Er wollte jemandem wie Jackson einen gewaltigen Schrecken einjagen. Und uns.«
Kate schüttelte den Kopf. »Das ist einfach nicht … Verdammt!« Sie zog ihr Notizbuch zu sich heran, schlug es auf, suchte eine freie Seite. »Alles war so … riskant. Wozu sich die Mühe machen?« Sie stützte das Kinn in eine Hand, während sie sich Fragen und Kommentare notierte.
Joe hockte mit verschränkten Armen gedankenverloren auf seinem Stuhl. Nach einer Weile sah er auf seine Uhr.
»Gleich halb sechs. Connie wird uns später sprechen wollen.«
Bernie hob ruckartig den Kopf. »Uns?«
»Klar. Du hast das Gewebeband gesehen. Vielleicht
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