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Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Jameson
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eine benutzte Nadel im Arm?
    Mir doch scheißegal.
    Als ich Matt wieder ansah, beobachtete er gerade die Leute, die ins Theater gingen, ließ den Blick immer wieder über den Bürgersteig schweifen.
    Ich gab ihm das Foto zurück. »Wie hast du das geschafft?«
    Er schniefte, drehte den Rücken gegen den Wind, damit ihmder Regen nicht ins Gesicht schlug. »Bin aus einem Fenster gesprungen. Also … eigentlich durch ein Fenster. Ist echt nicht zu glauben, wie scheiß massiv die sind. Im Film segeln die Leute da immer einfach durch, als wäre es nichts, aber Scheiße, das tut echt weh.«
    »Warum?«
    »Wollte weg.« Seine Unterlippe zitterte, er schob das Foto zurück in die Jackentasche. »Ich weiß, dass ich so getan habe, als wüsste ich nicht, was mit Hudson los ist … aber jetzt gibt es keinen Grund mehr dafür, denke ich.«
    »Hat Felix dir das angetan?«
    »Was glaubst denn du?« Er schniefte wieder. »Kyle ist tot. Schätze, ich hab noch Glück gehabt.«
    Ich ließ den Blick über den Bürgersteig schweifen; ich konnte nicht anders, seine Nervosität war ansteckend.
    »Woher willst du wissen, dass er tot ist?«
    Er überhörte die Frage, lehnte sich gegen die Mauer und schlug die Hände vors Gesicht. »Mann, wir haben es dermaßen verbockt.«
    Fast hätte ich ihm eine Hand auf die Schulter gelegt, dann fiel mir ein, dass sie gebrochen war. So stand ich nur vor ihm und schirmte seine Tränen vor den Passanten ab. Wie immer, wenn ich etwas Großem auf der Spur war, hatte ich Angst, er würde mir stiften gehen.
    »Was ist passiert?«, fragte ich.
    Der Regen wurde stärker, der tosende Wind erstickte beinahe unsere Stimmen. Am anderen Ufer schaukelte ein leeres Touristenschiff, trieb auf den Wellen wie eine aufgedunsene Leiche.
    »Weißt du, was Felix so macht?«
    »Dealen, oder?«, fragte ich, jetzt froh, dass der Wind unser Gespräch vor Lauschern schützte.
    »Ähm, ja, er kriegt Drogen geliefert und vertreibt sie dannweiter. Kyle und ich haben ihm dabei geholfen, ein bisschen gedealt und manchmal auch die Ware für ihn abgeholt. Gab nie viel Geld dafür, wir durften nur einen Teil behalten.«
    »Und Emma hat das auch gemacht?«
    »Ach, Emma war super, sie war ein toller Mensch … Sie war einfach nur … total dämlich manchmal, so wie Kyle … eigentlich wie alle. Sie hatte Probleme.«
    »Was für Probleme?«
    »Zu Hause, mit ihren Eltern und so. Ist auch egal. Sie hing mit uns rum, nahm dies und das, wir hatten unseren Spaß. Ich …« Die Wörter kamen verzerrt aus seinem Mund. »Ich kann es nicht fassen, dass sie beide … beide tot sind.«
    Es ärgert mich, wenn mein Zynismus zu schnell von Mitleid verwässert wird. Er sah wirklich aus wie ein Kind, ein unerfahrenes, gebrochenes, verlorenes scheiß Kind, das nicht in der Lage war zu lügen. Nichtsdestotrotz irritierte mich seine Trauer ein wenig. Sie war zu melodramatisch, als spiele er etwas nach, was er im Fernsehen gesehen hatte, ohne es wirklich selbst zu empfinden.
    »Sie war bei ein paar Touren dabei, weil sie das aufregend fand und weil ihre Eltern stinksauer gewesen wären, wenn sie’s gewusst hätten. Ich glaube nicht, dass es Felix störte. Er kennt ihren Vater und fand es irgendwie witzig … Es war nur ein Spaß. Wir hatten nichts Besseres zu tun.«
    Das war es?, dachte ich. So einfach war das? Der ganze Scheiß nur aus Langeweile? War ich im Jugendknast und Emma unter der Erde gelandet, weil das Leben nichts Interessanteres zu bieten gehabt hatte?
    »Ein paar Monate lang war es in Ordnung, dann liefen wir da irgendwann auf, zugekokst bis unter die Schädeldecke … Wir holten die Lieferung aus so einem Container, laberten Blödsinn, und auf einmal flippte die Alte total aus. Voll am Schreien undHeulen, total irre. Wir sind alle hingelaufen, Felix sagte ihr, sie soll die Schnauze halten, aber …«
    Er sah hoch, prüfte den Gehweg hinter mir. Irgendetwas dort musste ihn erschreckt haben, denn er fasste mich wieder am Arm, und wir gingen weiter. Sein linkes Bein war steif, und er stützte sich eher an mir ab, als dass er mich führte.
    »Da lagen … Leichen rum. Sahen aus wie Filipinos oder so … Die waren alle tot, in diesem Container, einfach so. Keine einzige Verletzung, nichts Komisches, als wären sie einfach verhungert oder erstickt oder so. Und … Scheiße …« Er hob eine Hand, damit der Regen ihm nicht in die Augen fiel. »Sie hörte einfach nicht mehr auf … die Alte, sie hörte einfach nicht mehr auf!«
    Wir näherten uns der

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