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Kalter Schmerz

Kalter Schmerz

Titel: Kalter Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Jameson
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die ganze Wahrheit gesagt, das wusste ich, hatte da so ein Bauchgefühl. Aber ich folgte ihm nicht.

18
    »Mum hat wieder so einen Hirnfick. Hab keinen Bock mehr, noch was darüber zu schreiben. Scheißleben.«
    Ich lag auf dem Sofa und las erneut in Emmas Tagebuch. Die neueste Mailboxnachricht von Harriet ignorierte ich.
    » Verdammte Scheiße, Nic, ich weiß genau, dass du da bist! Dein Handy ist doch quasi mit deiner Hand verschweißt! Ich hoffe, dass du wenigstens zur Beerdigung kommst … Mann, du bist reine Luftverschwendung, keine Ahnung, warum sie sich überhaupt noch kümmern. Ruf bitte zurück, ja? Zumindest das bist du ihnen schuldig! «
    Ich wählte Matts Nummer, doch es ging niemand dran.
    Ich legte das Handy auf den Tisch und las weiter im Tagebuch. Bisher hatte ich die Passagen über Pat und Clare nur überflogen, sie als typische Ausbrüche jugendlicher Verbitterung abgetan, doch jetzt hatten sie eine neue Bedeutung bekommen. Frustrierenderweise war Emma sparsam mit ihren Gedanken und noch sparsamer mit ihren Gefühlen, genau wie ihre Eltern.
    »Mum und Dad brechen Rekord – zwei Stunden Streit. Lustig.«
    Die Haustür ging auf und zu.
    Ich schaute auf die Uhr, die verblassten Ziffern und das kaputte Armband wirkten fremd. Ich hatte die Rolex im Auto liegen lassen.
    Mark kam ins Zimmer, die Augen auf Halbmast. Er wusste nichts von Tony. Ich hatte nicht den richtigen Zeitpunkt gefunden, um es ihm zu sagen, doch genau wie bei meiner Mutter war ich bei ihm nie in der Lage gewesen, die Fassade lange aufrechtzuerhalten.
    »Und?«, sagte ich.
    »Tee«, erwiderte er und ging in die Küche. »Der macht alles besser.«
    »Danny durfte nicht bleiben, weil Mum wieder ausgeflippt ist. Ich hasse sie total. Absolut peinlich.«
    Die anonyme SMS, die ich erhalten hatte, als ich aus der U-Bahn kam, war ein Videolink. Sie kam nicht von Matts Nummer, das hatte ich überprüft. Ich setzte mich aufrecht hin und holte meinen Laptop unter dem Couchtisch hervor. Als ich die Webadresse eintippte, begann in der Küche der Wasserkocher zu brodeln. Der Verkehr draußen wirkte zu leise.
    »Schädel?«, rief ich.
    »’n bisschen … zu viel zu früh, denke ich.« Mark erschien in der Küchentür und rieb sich die Augen. »Ein paar von den Russen sind in der Stadt, ich habe aus Versehen möglicherweise schon mittags angefangen zu trinken.«
    »Lustig, dieses Trinken aus Versehen«, sagte ich, während der Monitor weiß wurde. »Bist du einfach immer wieder an der Theke gelandet?«
    »Es war, als würde ich mich in einem fremden Körper befinden.«
    »Haben wir alle schon erlebt.«
    Er grinste.
    Das Video wurde geladen. Ich sah, dass beim Konto »privat« stand und der Username oben links »MrsDyerx« lautete. Ich las noch einmal: »MrsDyerx«. Wie war sie bloß an meine Nummer gekommen? Der Film wurde immer noch geladen, fast hätte ich dem Drang nachgegeben, das Ganze abzubrechen.
    Mark musste meinen veränderten Gesichtsausdruck bemerkt haben, denn er lachte. »Entweder ist dir gerade was bei eBay durch die Lappen gegangen, oder du hast einen total üblen Porno gesehen.«
    Ich wollte antworten, aber es kam kein Ton heraus.
    »Los, komm, erzähl schon, was guckst du da?« Er kam ins Zimmer und fläzte sich neben mich auf das Sofa.
    Als Erstes sahen wir Clares Gesicht, zu nah vor der Kamera, die Augen nach unten gerichtet, das Objektiv wackelte leicht, als würde sie etwas einstellen. Ihr Haar war offen, lag schwer auf ihren Schultern, der Pony fiel ihr ins Auge, so dass sie im Halbdunkel wie ein Kind aussah.
    Hinter ihr erkannte ich ihr Wohnzimmer, schwach beleuchtet. Klassische Musik war zu hören.
    Als sie mit der Einstellung der Kamera zufrieden zu sein schien, stand sie auf, so nah, dass man einen Moment lang nichts außer ihren Hüften und ihrem Rumpf sehen konnte, dann ging sie in die Mitte des Zimmers. Sie trug einen weißen Gymnastikanzug und einen Rock, der ihr kaum bis zu den Oberschenkeln reichte.
    Ich wollte sehen, wie Mark darauf reagierte, doch ich konnte die Augen nicht vom Bildschirm lösen.
    Mein Herz schlug unangenehm heftig.
    Ihr Blick war auf etwas über uns gerichtet, in weite Ferne. Sie drehte eine Pirouette, eine zweite, mit wehendem Haar, auf den Zehenspitzen. In dieser Einstellung stachen die Narben an ihren Armen deutlich hervor. Sie hatte auch welche oben auf den Schenkeln, die ich bisher nicht gesehen hatte.
    »Tschaikowsky«, sagte Mark nickend, als ob zumindest das einen Sinn ergab.
    Sie ließ sich

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