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Kalter Süden

Kalter Süden

Titel: Kalter Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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in arbeitsfähigem Alter. Und er bekam die Schlimmsten, diejenigen, die kein anderer haben wollte, und er prügelte ihnen die Gebote des Herrgotts ein, bis ihnen der Rücken blutete. Anschließend ließ er sie arbeiten, bis sie keine Kraft mehr hatten, an Flucht zu denken. Wer dennoch davonlief, nach dem suchte er nicht länger, sondern überließ ihn der Barmherzigkeit des Herrn und den Flammen der Hölle.
    Der Engel war vierzehn, als Gregorius auf den Hof kam.
    Gregorius war anders als alle anderen Jungen, denn er war dunkel und schmal und leise, er fing niemals Streit an, randalierte nicht und glotzte ihr nicht nach. Er lächelte sein eigenartiges Lächeln und jagte den anderen Jungs Respekt ein, vielleicht sogar Angst. Wer sich mit ihm anlegte, wachte mit sonderbaren Verletzungen auf oder erlitt seltsame Unfälle.
    Den Engel zog es zu ihm hin wie die Motte zum Licht, und ebenso wie der unvorsichtige Falter verbrannte sie sich dermaßen die Flügel, dass sie nie wieder fliegen konnte.
    Sie war fünfzehn Jahre und acht Monate alt, als die Mutter erkannte, dass der Engel schwanger war, aber da war Gregorius schon seit vielen Wochen vom Hof verschwunden. Der Vater schlug ihr die Beine und den Rücken und den Unterleib kurz und klein, er wollte ihr die Sünde aus dem gequälten Leib knüppeln und erreichte doch nicht mehr, als dass er ihr Narben für ein ganzes Leben zufügte. Anschließend sperrte man sie in die Bodenkammer, in der schon das Trollmädchen und die Prinzessin unter dem frostglitzernden Dachfenster geschlafen hatten, und wie ihre Vorgängerinnen kletterte auch sie über die Dachpfannen hinaus zur Feuerleiter, kaum dass ihre Wunden so weit verheilt waren, dass sie laufen konnte.
    Und dann lief sie.
    Im Schutz der nächtlichen Dunkelheit schaffte sie es hinauf zur Straße, durch die Siedlung und weiter zum Riksvägen, und früh am Morgen nahm ein Lastwagenfahrer sie mit, der ohnehin nach Gnesta wollte. Er fragte, was ein so junges Mädchen zu so früher Morgenstunde draußen auf der Straße mache. Und als sie erwiderte, das wolle sie ihm nicht erzählen, meinte er, er werde niemandem etwas sagen, wenn er ein bisschen nett zu ihr sein dürfe. Der Schaden war ja schon passiert, also sah sie keine große Gefahr darin, ihn tun zu lassen, was er wollte.
    Ihre Wunden brannten, als er sie nahm, und sie spürte, wie der Erdboden sich über ihrem Kopf schloss, um sich nie wieder zu öffnen.
    Hier hast du dein Leben, hier hast du deine Unterwelt.
    Er brachte sie nach Mölnbo. Dort durfte sie in einem Milchauto mitfahren, das unterwegs nach Södertälje war.
    Da war es schon Abend, und sie hatte großen Hunger.
    Sie verbrachte die Nacht in einer Senke neben den Eisenbahngleisen und fror wie ein Hund, aber sie wusste, dass es nicht mehr weit war, denn das Trollmädchen hatte ihr von ihrer Mutter erzählt. Sie war seit langem aus dem Gefängnis entlassen und hatte ihre Tochter zurückhaben wollen, aber die Jugendfürsorge hatte abgelehnt. Man fand es besser, dass das Trollmädchen auf Gudagården in der Zucht und Lehre des Herrn erzogen werde.
    Niemand wusste, dass die Trollmutter manchmal gekommen war, um ihre Tochter zu besuchen, immer nachts, wenn das Dach schneefrei war und das Mädchen die Feuerleiter benutzen konnte. Der Engel kannte ihre Adresse.
    Wie sie in der großen Stadt Stockholm dort hinfinden sollte, darüber hatte sie sich keine Gedanken gemacht, und es war auch gar nicht so schwer. Ein Droschkenfahrer brachte sie zum Tyska Brinken Nummer 2 8 und verlangte die gleiche Bezahlung, die sie dem Lastwagenfahrer gewährt hatte. Schließlich klingelte sie an der Tür.
    Die Prinzessin öffnete.
    Es dauerte mehrere Sekunden, bis sie den gefallenen Engel wiedererkannte.
    Sie pflegten sie wochenlang auf dem Ausziehsofa in der Küche. Die Wunden hatten sich entzündet, sie fiel ins Fieber, und dem Kind in ihrem Bauch ging es nicht gut. Aber im Herbst, kurz bevor das Kind zur Welt kommen sollte, nahm das Trollmädchen sie alle mit ins Kino, ihre Mutter und die Prinzessin und den gefallenen Engel, und sie sahen sich einen fast neuen Film aus Amerika an.
    Das Trollmädchen hatte den Film schon viele Male gesehen und konnte alle Dialoge auswendig. Er hieß Ein Platz an der Sonne und handelte von einem armen jungen Mann, der Arbeit in der Fabrik seines reichen Onkels fand und sich in ein hübsches Mädchen verliebte. Ihretwegen war er bereit, alles auf der Welt zu tun, sogar einen Mord zu begehen. Der Film war sehr,

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