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Kalter Süden

Kalter Süden

Titel: Kalter Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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mehrere Schreie.
    Suzette, dachte sie, die kleinen Jungs, Amira, o Gott, o mein Gott, jetzt geht er von einem Zimmer zum nächsten und erschießt alle!
    Ihr Puls begann so wild zu rasen, dass sie dachte, sie müsse sterben.
    Gleich hat er die unteren Stockwerke durch, und dann kommt er hier herauf.
    Sie blickte sich um und zwang die Panik zurück.
    Jetzt zu brüllen und zu schreien, wie sie es am liebsten gemacht hätte, war natürlich das Dümmste, was sie tun konnte.
    Sie musste hier raus.
    Das Fenster zu zertrümmern war keine gute Idee, denn die Scheiben jedes Flügels waren mit mindestens vierzig Sprossen unterteilt, durch die sie sich nie hätte hindurchzwängen können.
    Sie musste das Fenster also irgendwie aufbekommen und sich abseilen.
    Sie hatte sich schon einmal mit Bettzeug beholfen und überlebt. Jetzt brannte es wenigstens nicht.
    Sie versuchte, sich gegen die Fensterrahmen zu werfen, hatte zu wenig Platz, um Anlauf zu nehmen, und deshalb nicht genügend Kraft in den Bewegungen.
    Dann fiel ihr Blick auf den großen Schreibtisch, und sie erkannte, wie sie es anstellen musste.
    Sie schob den Schreibtisch vors Fenster, setzte sich darauf und rutschte vor, so dass sie mit den Füßen das Schloss erreichen konnte. Dann zog sie die Knie an und trat mit aller Macht zu. Der Donner grollte. Die Türrahmen ächzten, und der Schreibtisch rutschte ein Stück zurück, aber nicht sehr viel. Sie versuchte es noch einmal, trat viermal zu, dann musste sie herunterklettern und den Schreibtisch wieder vorschieben.
    Nach dem siebten Tritt flogen die Türen krachend auf. Der Himmel antwortete mit Donner. Der Regen prasselte ins Zimmer, und sie war im Handumdrehen klitschnass.
    Mit zwei kräftigen Rucken riss sie die Vorhänge herunter. Sie schlug die Bettdecke zurück und stellte zu ihrer Erleichterung fest, dass das Laken aus dünnem Leinen bestand. Mit zitternden Fingern knotete sie die Vorhangschals und das Laken mit Reffknoten zusammen. Gott sei Dank war sie bei den Pfadfindern gewesen. Das eine Ende befestigte sie am Balkongitter und das andere warf sie hinaus.
    Die Stoffbahnen reichten fast bis hinunter zur Erde und schwangen unruhig in den Regenböen.
    Ob der Stoff durch die Nässe glitschig werden würde?
    Vermutlich.
    Sie zögerte.
    Vielleicht war es ja doch besser, im Zimmer zu bleiben? Vielleicht kam der Mann gar nicht hierher?
    Im selben Moment hörte sie einen weiteren Schuss von unten.
    Sie atmete dreimal tief durch, trat auf den winzigen Balkon und kletterte über das Geländer.
    Es schien ihr unglaublich hoch.
    Sie ging auf der Außenseite des Balkongitters in die Hocke, packte den Vorhangschal und testete, ob er hielt. Der Regen peitschte ihr ins Gesicht, sie konnte kaum etwas erkennen.
    Egal, sie brauchte nicht zu sehen, wenigstens nicht nach unten, sie brauchte sich nur an der Wand herabzulassen, bis sie den Boden erreichte. Wenn sie nur ihre Höhenangst überwinden konnte, würde es schon gehen.
    Sie ließ das Balkongeländer los und drohte sofort abzustürzen. Ihr Keuchen war lauter als der Donner. Sie klammerte sich krampfhaft fest, sah aber ein, dass sie den Griff lockern musste. Sie ließ ein wenig nach. Der Stoff brannte in ihren Händen. Da berührten ihre Füße die Hauswand, sie stieß sich ab und rutschte tiefer, ein Schritt, zwei Schritte, ein viel zu langer Schritt, die Haut in ihren Handflächen glühte. Sie überwand den ersten Knoten, passierte das mittlere Stockwerk, ihre Arme begannen zu schmerzen, sie überwand den zweiten Knoten, die halbe Strecke sollte geschafft sein, die Arme waren mittlerweile taub. Erneut lockerte sie den Griff, ihre Handflächen brannten wie Feuer, der dritte Knoten kam, und dann konnte sie sich nicht mehr halten. Sie fiel auf die Erde und knickte mit einem Fuß um. Der Kies schrammte ihr die Unterarme auf. Sie blieb ganz still liegen und horchte. Der Regen stürzte herab, sie war nass bis auf die Knochen. Ihr Fußknöchel tat wahnsinnig weh.
    Sie hörte Stimmen.
    Irgendwo aus dem Haus.
    Annika setzte sich auf. Hier unten im Hof war es heller, als es von ihrem Fenster aus den Anschein gehabt hatte. Sie sah den Stall wie einen dunklen Koloss, dreißig, vielleicht vierzig Meter entfernt. Das aufgesprengte Tor quietschte hinter ihr im Wind, schräg vor ihr stand die Haustür sperrangelweit offen.
    Mit ihrem verletzten Fuß würde sie niemandem davonlaufen können. Durch das Tor zu schleichen und sich draußen im Feld zu verstecken wäre eine Alternative – falls

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