Kalter Süden
entdeckte: HOTELPYR .com las sie auf dem Schild, das vor dem Himmel schwebte.
Ach, was soll’s, dachte sie und bog in Richtung einer Stierkampfarena ab.
Das Hotel Pyr lag mitten in Puerto Banús und hatte jede Menge freie Betten. Sie bekam ein Eckzimmer im zweiten Stock mit einer hinreißenden Aussicht auf die Autobahn.
»Kennen Sie etwas, das Lakanjada heißt?«, fragte sie an der Rezeption.
»La Cañada? Das ist ein Shoppingcenter. Riesengroß, an der Straße nach Málaga. Sie können es gar nicht verfehlen. Nehmen Sie die Ausfahrt nach Ojén.«
Ah, dachte sie. Der Kungens-kurva-Komplex.
Sie blickte auf die Uhr, halb zwei.
Sie ging wieder hinaus zum Auto.
Natürlich verpasste sie die Ausfahrt.
Sie sah den Komplex im selben Moment an der linken Seite vorbeifliegen, als ihr klar wurde, dass sie zu weit gefahren war. Mit Müh und Not gelang es ihr, nicht wieder auf die Mautautobahn zu fahren. In dem Dschungel aus unverständlichen Werbeslogans, Richtungsschildern und elektronischen Anzeigen auf Spanisch, die die Autobahn säumten, suchte sie nach einer Ausfahrt, an der sie umkehren und zurückfahren konnte, und fand tatsächlich eine gleich hinter dem Costa-del-Sol-Krankenhaus.
Erst als sie auf den proppenvollen Parkplatz am Einkaufszentrum fuhr, merkte sie, dass ihre Schultern quasi unter den Ohren klebten. Sie zwang sie wieder auf ihren normalen Platz, quetschte sich vor einen Jaguar mit britischem Nummernschild und parkte direkt neben der Ausfahrt.
Im Shoppingcenter wimmelte es nur so von Menschen. Die Tage vor el día de reyes , dem Dreikönigstag, gehörten zu den größten Einkaufstagen des Jahres, das hatte sie unterwegs im Reiseführer gelesen. Die meisten spanischen Kinder bekamen ihre Weihnachtsgeschenke nicht Heiligabend, sondern am 6 . Januar, dem Dreikönigstag, und alle Last-minute-Geschenke Spaniens sollten offenbar hier und heute besorgt werden.
Als sie über den spiegelblanken Granitfußboden ging, fiel ihr auf, dass drinnen dieselbe Temperatur wie draußen herrschte. Die Sonne schien durch das Glasdach mehrere Etagen über ihr und verstärkte Annikas Eindruck, sich immer noch draußen zu befinden. Sie wurde von den Menschenmassen mitgerissen und kam an derselben Sorte von Allerweltsläden vorbei wie in den Einkaufsgalerien zu Hause in Stockholm: Mango, Zara, Lacoste, Swatch. Sie fand eine Informationstafel und sah, dass sie genau neben dem Eingang von H&M stand. Einen Polizisten konnte sie in der Menschenmenge nicht entdecken, also stellte sie sich ganz nahe vors Schaufenster, um sich einen Überblick zu verschaffen, ohne niedergetrampelt zu werden.
Direkt vor ihr reckte sich ein riesiger Weihnachtsbaum bis hoch unters Dach, dessen üppiges Grün verriet, dass er aus Plastik war. Von den Dachstreben hingen Tannenzapfen herunter, deren Durchmesser mindestens zwei Meter betrug, und ein paar schiefe Palmen umgaben eine Steinsäule. Sie waren so hässlich, dass sie nur echt sein konnten.
Annika warf einen Blick auf die Uhr. Jetzt mussten sie bald kommen.
»Annika Bengtzon?«
Sie waren zu zweit, und das »Wir sind skandinavische Polizisten in Zivil« stand ihnen geradezu ins Gesicht geschrieben. Der eine war blond, der andere aschblond, beide trugen Jeans und bequeme Schuhe, waren durchtrainiert und bewegten sich mit einer gelassenen Selbstverständlichkeit, wie es nur Männer mit unzweifelhafter Autorität tun.
Sie gab ihnen die Hand und lächelte.
»Wir haben nicht viel Zeit«, sagte Knut Garen. »Aber da oben gibt es eine Tapasbar mit hervorragender Aussicht über den Parkplatz.«
Sein Kollege stellte sich als Niklas Linde vor, er hörte sich an, als käme er aus der nördlichsten Ecke von Norrland.
Sie fuhren mit der Rolltreppe nach oben und zwängten sich an einen Fenstertisch. Tatsächlich hatte man von hier eine unschlagbare Aussicht auf zehntausend Pkws.
»Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben«, begann Annika und legte Notizblock und Stift auf den Tisch.
»Na ja«, sagte Knut Garen, »so ist der Gang der Dinge. Alle Kontakte zwischen der spanischen Polizei und schwedischen Behörden müssen über uns laufen. Wir stimmen die Kommunikation ab.«
»Als Erstes wüsste ich gern, ob Sie einen guten Dolmetscher kennen«, sagte Annika. »Am liebsten Schwedisch-Spanisch, aber es ginge auch mit jemandem, der Englisch-Spanisch übersetzt.«
»Sie sprechen kein Spanisch?«, fragte Knut Garen.
» No mucho «, sagte Annika. » Comprendo un poquito. «
»Carita«, sagte
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