Kalter Tod
Maßnahme die durchaus begründete Befürchtung vorherrschte, dass es vom FBI weiterhin außen vor gelassen wurde. Um nun diese Unterlegenheit zu kaschieren und zugleich sein Amt und die Existenz seiner Abteilung zu rechtfertigen, war Captain Hadley dazu übergegangen, großspurige Pressekonferenzen abzuhalten und mit den ganz in Schwarz gekleideten Männern seiner OHS-Einheit an jedem Tatort aufzutauchen, sobald auch nur die entfernteste Möglichkeit eines terroristischen Hintergrunds gegeben war. Ein umgekippter Tanklastzug auf dem Hollywood Freeway rief unweigerlich das OHS auf den Plan, bis sich herausstellte, dass die Tanks nur Milch enthielten. Die Ermordung eines Rabbi in einer Synagoge in Westwood hatte die gleiche Reaktion zur Folge, bis die Ermittlungen ergaben, dass die Tat das Ergebnis eines Dreiecksverhältnisses war.
Und diese Liste ließ sich beliebig fortführen. Nach dem vierten blinden Alarm hatte der Leiter des OHS in Polizistenkreisen einen neuen Namen bekommen. Captain Don Hadley hieß fortan Captain Done Badly. Aber dank des dünnen Schleiers der Politik, der über seine Ernennung gebreitet war, hielt er sich auf seinem Posten. Dem jüngsten Gerücht zufolge, das Bosch über Hadley zu Ohren gekommen war, hatte er seine gesamte Einheit noch einmal auf die Akademie geschickt, um sie in urbaner Angriffstaktik schulen zu lassen.
»Was Hadley angeht, kann ich nichts sagen«, erklärte Gandle in Beantwortung von Boschs Frage. »Wahrscheinlich wird er einbezogen. Ich werde nur meinen Captain benachrichtigen, und wen er dann verständigt, unterliegt nicht mehr meiner Entscheidung. Aber das braucht Sie nicht zu kümmern, Harry. Machen Sie einfach Ihre Arbeit und kümmern Sie sich nicht um Hadley. Die Leute, vor denen Sie sich in Acht nehmen sollten, sind die vom FBI.«
»Schon klar.«
»Und vergessen Sie nicht, mit dem FBI wird es immer dann kritisch, wenn sie einem genau das zu sagen beginnen, was man hören will.«
Bosch nickte. Dieser Rat entsprang der altehrwürdigen LAPD-Tradition, dem FBI immer nur mit größtem Misstrauen zu begegnen. Und selbstverständlich bestand auf Seiten des FBI eine nicht minder altehrwürdige Tradition, dem LAPD zu misstrauen. Genau aus diesem Grund war das OHS ins Leben gerufen worden.
Als Bosch ins Haus zurückkam, telefonierte Walling gerade mit ihrem Handy, und im Wohnzimmer stand ein Mann, den er bis dahin nicht gesehen hatte. Er war groß, Mitte vierzig und strahlte dieses unübersehbare FBI-Selbstvertrauen aus, das Bosch schon bei zahlreichen früheren Gelegenheiten aufgefallen war. Der Mann reichte ihm die Hand.
»Sie sind wohl Detective Bosch«, sagte er. »Jack Brenner. Rachel ist meine Partnerin.«
Bosch schüttelte ihm die Hand. Er machte nicht viel her, aber die Art, wie er gesagt hatte, Rachel sei seine Partnerin, verriet Bosch einiges. Es hatte etwas Bevormundendes an sich. Brenner hatte ihm damit zu verstehen gegeben, dass jetzt der ranghöhere Partner eingetroffen war, ob das nun mit Rachels Sicht der Dinge konform ging oder nicht.
»Habt ihr euch also schon bekannt gemacht.«
Bosch drehte sich um. Walling war mit dem Telefonieren fertig.
»Entschuldigung«, sagte sie. »Ich habe gerade den leitenden Special Agent über alles in Kenntnis gesetzt. Er hat beschlossen, ganz Tactical auf die Sache anzusetzen. Er schickt drei Teams in die Krankenhäuser los. Sie sollen herausfinden, ob Kent heute in einem der Hot Labs war.«
»Ist ein Hot Lab der Ort, an dem sie das radioaktive Material aufbewahren?«, fragte Bosch.
»Ja. Kent hatte zu so ziemlich jedem im ganzen County Zugang. Wir müssen herausfinden, ob er heute in einem von ihnen war.«
Bosch wusste, er könnte die Suche vermutlich auf eine einzige Institution einengen. Die Saint Agatha’s Clinic for Women. Kent hatte bei seiner Ermordung ein Namensschild dieses Krankenhauses anstecken gehabt. Das wussten Walling und Brenner nicht, und Bosch beschloss, es ihnen noch nicht zu sagen. Er spürte, wie ihm das Ermittlungsverfahren entglitt, und wollte die möglicherweise einzige Information, über die nur er allein verfügte, noch für sich behalten.
»Und was ist mit dem LAPD?«, fragte er stattdessen.
»Mit dem LAPD?« Brenner stürzte sich vor Walling auf die Frage. »Sie meinen, was mit Ihnen ist, Bosch? Ist es das, was Sie wissen wollen?«
»Ja, ganz richtig. Wo stehe ich bei dem Ganzen?«
Brenner breitete in einer Geste, die Offenheit signalisieren sollte, die Arme aus.
»Keine Sorge,
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