Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalter Tod

Kalter Tod

Titel: Kalter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
allen möglichen Blickwinkeln.
    »Das ist das Schlafzimmer«, sagte sie. »Was übersehe ich?«
    »Genau.«
    »Was?«
    »Es ist das, was du nicht siehst. Es sind nirgendwo Kleider zu sehen. Aber sie hat uns erzählt, sie hätten sie aufgefordert, sich aufs Bett zu setzen und sich auszuziehen. Sollen wir jetzt etwa glauben, dass sie sie die Kleider haben aufräumen lassen, bevor sie sie gefesselt haben? Oder sie in den Wäschekorb legen lassen? Sieh dir das letzte Foto an. Es ist das Foto, das sie Stanley Kent gemailt haben.«
    Walling ging den Inhalt des Ordners durch, bis sie den Ausdruck des E-Mail-Fotos fand. Sie betrachtete es aufmerksam. Er sah, wie Verstehen in ihre Augen zu sickern begann.
    »Und? Was siehst du?«
    »Den Bademantel«, sagte sie aufgeregt. »Als wir ihr gesagt haben, sie soll sich erst anziehen, ist sie zum Kleiderschrank gegangen, um den Bademantel zu holen. Da lag kein Bademantel auf diesem Sessel!«
    Bosch nickte, und sie begannen, Stücke der Geschichte hin und her zu schieben.
    »Was sagt uns das?«, fragte er. »Dass diese rücksichtsvollen Terroristen den Bademantel ordentlich in den Schrank gehängt haben, nachdem sie das Foto gemacht haben?«
    »Oder dass Mrs. Kent vielleicht zweimal gefesselt wurde und der Bademantel in der Zwischenzeit woanders hingebracht wurde?«
    »Und schau dir das Foto noch mal an. Der Wecker auf dem Nachttisch ist ausgesteckt.«
    »Warum?«
    »Keine Ahnung, aber vielleicht wollten sie einfach keine Zeitangabe auf dem Foto haben. Vielleicht wurde das erste Foto sogar schon am Tag zuvor aufgenommen. Vielleicht stammt es von einer Probe zwei Tage oder sogar zwei Wochen zuvor.«
    Rachel nickte, und Bosch wusste, sie hatte angebissen. Jetzt hatte er sie auf seiner Seite.
    »Einmal wurde sie für das Foto gefesselt und dann ein zweites Mal für die Rettung«, sagte sie.
    »Genau. Und deshalb war es ihr auch möglich, zum Aussichtspunkt mitzukommen und bei der Durchführung ihres Plans zu helfen. Sie hat zwar ihren Mann nicht erschossen, aber sie saß im anderen Auto, als es passierte. Und sobald Stanley Kent tot und das Caesium entsorgt und das Auto vor Samirs Haus abgestellt war, kamen sie und ihr Partner nach Hause zurück, und dann wurde sie noch einmal gefesselt.«
    »Sie war gar nicht ohnmächtig, als wir im Haus ankamen. Das hat sie nur vorgetäuscht. Und dass sie ins Bett gemacht hat, war ein nettes Detail, um uns die Sache noch schmackhafter zu machen.«
    »Außerdem überdeckte der Uringeruch den Traubensaftgeruch.«
    »Wie meinst du das?«
    »Die blauen Flecken an ihren Hand- und Fußgelenken? Inzwischen wissen wir, dass sie nicht stundenlang gefesselt war. Aber sie hatte diese blauen Flecken. Im Kühlschrank ist eine offene Flasche Traubensaft, und in der Mülltonne in der Garage sind Küchentücher, die damit vollgesogen sind. Die blauen Flecken hat sie mit Traubensaft gemacht.«
    »Du hast recht. Dann habe ich mir das doch nicht eingebildet.«
    »Was?«
    »Als ich in der TIU in einem Zimmer mit ihr saß. Auf engstem Raum mit ihr zusammen. Da bildete ich mir ein, Traubensaft zu riechen. Ich dachte noch, jemand, der vor uns in dem Zimmer war, hätte vielleicht Traubensaft getrunken. Ich habe es gerochen!«
    »Siehst du?«
    Inzwischen gab es keinen Zweifel mehr. Bosch hatte sie überzeugt. Doch dann huschte ein Schatten von Besorgnis und Zweifel über Wallings Gesicht wie eine Wolke im Sommer.
    »Aber was ist das Motiv?«, fragte sie. »Hier geht es um einen FBI-Agenten. Und um in dieser Richtung weiterzumachen, brauchen wir alles, auch ein Motiv. Wir dürfen nichts dem Zufall überlassen.«
    Auf diese Frage war Bosch vorbereitet.
    »Du hast das Motiv selbst gesehen. Alicia Kent ist eine schöne Frau. Jack Brenner wollte sie, und Stanley Kent war ihm im Weg.«
    Walling riss entsetzt die Augen auf. Bosch fuhr mit seiner Argumentation unerbittlich fort.
    »Das ist das Motiv, Rachel. Du …«
    »Aber er …«
    »Lass mich einfach erst ausreden. Es ist folgendermaßen gekommen. Du und dein Partner, ihr sucht im vergangenen Jahr die Kents in ihrem Haus auf, um sie auf die Gefahren seines Berufs aufmerksam zu machen. Zwischen Alicia Kent und Brenner funkt es irgendwie. Er zeigt Interesse, sie ist ebenfalls nicht abgeneigt. Sie treffen sich heimlich auf einen Kaffee oder einen Drink oder sonst etwas. Eins kommt zum anderen. Sie haben eine Affäre, und die Sache hält an und kommt irgendwann an einen Punkt, an dem es Zeit wird, sich Gedanken zu machen, ob sie

Weitere Kostenlose Bücher