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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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neuer …«
    Pestallozzi hielt es für an der Zeit, einzuschreiten. »Verzeihung, aber das war ein dummer Scherz von meinem Mitarbeiter. Attwenger ist natürlich kein Moslem, sondern nur ein Wurschtl.«
    Leo grinste schief, Grabner reagierte zum Glück nicht ungehalten. »Ah ja, natürlich. Das hätte mich auch sehr verwundert. Nun ja, also, apropos Religion. Wie schaut das denn mit dieser toten Nonne aus? War das jetzt ein Mord oder nicht? Was sagt denn die Doktor Kleinschmidt?«
    »Frau Doktor Kleinschmidt steht bereits im Seziersaal. Wir erwarten jeden Augenblick einen ersten Bericht.«
    Also das musste man dem Chef lassen, er putzte einen zwar manchmal ganz schön zusammen, aber er ließ einen nie im Regen stehen. Leo beschloss wieder einmal, ein besserer Mensch zu werden, genauso wie Artur Pestallozzi. Dumme Scherze würde er fortan …
    »Bis jetzt haben die Schmierfinken von der Presse ja noch gar nicht richtig losgelegt«, polterte Grabner. »Die Geschichte wird überall nur im Chronikteil gespielt. Frauenleiche beim Weihnachtsmarkt, als ob da eine zu viel Glühwein in sich hineingeschüttet hätte. Aber ihr wisst’s, was los sein wird, wenn die herausfinden, dass das eine Nonne war. Dann …«
    »Eine Postulantin, höchstwahrscheinlich jedenfalls.«
    Grabner wedelte ungeduldig mit der Hand. »Eine Postulantin, auch nicht besser. Also, Pestallozzi, Ihnen ist ja klar, was das bedeutet. Dann ist die Kacke am Dampfen, wie unsere Freunde von drüber der Grenze so schön sagen. Das ist doch ein gefundenes Fressen für die Revolverblätter. Grad jetzt, wo die ganzen Missbrauchsfälle in Ordensinternaten auffliegen, einer nach dem anderen. Apropos, könnte es da auch in unserem Fall eine Querverbindung …«
    Das Klingeln seines Handys enthob Pestallozzi einer Antwort, wenigstens für den Augenblick. Er blickte auf das Display und begab sich ohne ein weiteres Wort der Erklärung in sein eigenes Büro. Leo und Grabner starrten ihm hinterher, dann blickten sie sich ratlos an.
    »Also was eine Querverbindung betrifft, so haben wir noch keine diesbezüglichen Hinweise«, informierte Leo den Präsidenten. Aber der sah nicht drein, als ob er das besonders erhellend finden würde. Endlich kam Pestallozzi zurück. »Das war die Lisa Kleinschmidt. Ich schaue kurz zu ihr rüber.«
    Leo sprang auf und wollte schon nach seinem Mantel greifen, aber Pestallozzi hielt ihn mit einer Handbewegung zurück. »Leo, du bleibst da und kümmerst dich um die Informationen, um die ich dich vorhin gebeten habe. Die sind wirklich wichtig.«
    Leo plumpste auf seinen Sessel zurück. Das wurde ja immer besser. Jetzt sollte er also ganz im Ernst hier in diesem Kabuff zurückbleiben und Informationen über irgendwelche alten Schachteln zusammenkratzen, die sich die Zeit mit Beten und frommem Singsang vertrieben? Und dafür machte er jede Woche Karate?
    Der Präsident erhob sich. »Tja, dann geht ja endlich etwas weiter. Pestallozzi, Sie erstatten mir Bericht, wenn Sie zurück sind!« Damit wandte sich Grabner der Tür zu, im letzten Moment drehte er sich noch einmal um. »Das Büro vom Herrn Kardinal hat mich übrigens schon kontaktiert, ich konnte dann sogar ein paar Sätze mit ihm persönlich sprechen. Er legt Wert auf allergrößte Diskretion. Sollte es Fragen, nun ja, besonderer Art geben, dann wenden Sie sich damit direkt an mich, und ich werde sofort zu ihm durchgestellt. Bis später also!«
    Die Tür schloss sich. Leo kramte die Tüte mit dem Früchtemix wieder hervor und hielt sie dem Chef unter die Nase, aber der schüttelte nur gedankenverloren den Kopf. Fragen besonderer Art … auch Grabner verstand es, eine Pointe zu setzen.

    *

    Autokolonnen wälzten sich durch die trostlose Durchzugsstraße, die hinauf zur Klinik führte, wo sich neben anderen Abteilungen auch das Gerichtsmedizinische Institut befand. Graubrauner Matsch spritzte unter den Reifen nach links und rechts weg. Eine Frau stand schimpfend am Gehsteigrand und putzte an ihrem Mantel herum, dessen Saum von schmutzigen Tropfen gesprenkelt war, der Übeltäter war längst weitergeprescht. Männer standen rauchend vor einem Wettcafé. Rote Lämpchen blinkten über dem Eingang, die konnten gleich auch als Weihnachtsbeleuchtung durchgehen, wie passend.
    Ich hätte doch mit dem Auto fahren sollen, dachte Pestallozzi, meine Schuhe sind schon wieder ganz durchnässt. Aber er brauchte es so sehr, ein paar Kilometer zu Fuß durch die Stadt zu laufen, nachzudenken und allein zu

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