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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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doch kein konstruktiver Diskussionsbeitrag!«
    »Ah, sagst jetzt auch schon konstruktiv wie der Herr Bürgermeister? Brauchst vielleicht für dein’ Badesteg eine Bewilligung, damit …«
    »Hört’s auf, ihr zwei!«
    »Ruhe!«
    Der Bürgermeister hatte sich zu seiner vollen Größe aufgerichtet, allmählich kehrte wieder Stille im Saal ein. Turnauer zu seiner Linken saß lässig zurückgelehnt da, die Hände im Nacken verschränkt, und schien sich prächtig über den Tumult zu amüsieren. Der Mann zur Rechten vom Bürgermeister sah hingegen ziemlich sorgenvoll drein.
    »Also man merkt, dass zu diesem Thema noch nicht alle Standpunkte ganz ausdiskutiert worden sind. Deshalb möchte ich jetzt auch den Georg Öttinger, unseren Umweltreferenten, bitten, dass er noch ein paar Worte dazu sagt. Georg, du bist dran.«
    Der Mann rechts vom Bürgermeister erhob sich. Sein Gesicht war sonnenverbrannt wie bei einem passionierten Bergsteiger, sein rötlichblondes Haar kringelte sich zu kurzgeschnittenen Löckchen. Er sah aus, als ob er gern über die Felder und durch den Wald wandern würde mit einem Hund an seiner Seite.
    »Liebe Mitbürger und Mitbürgerinnen!«, sagte der Mann. »Glaubt’s mir, ich kenne alle eure Bedenken und Sorgen. Mir liegt der Landschaftsschutz unserer Gemeinde genauso am Herzen wie euch allen. Aber wir müssen auch vorausschauend denken, da muss ich dem Niki einfach Recht geben. Die Arbeitsmöglichkeiten in der Region werden immer weniger, die Jungen wandern ab. Und so ein Hotelressort würde halt nicht nur fast 90 neue Arbeitsplätze bringen, sondern auch das ganze Umland beleben. Lasst’s euch das noch einmal in aller Ruhe durch den Kopf gehen. Ich garantiere euch, dass jede nur erdenkliche Auflage punkto Umweltschutz eingehalten wird, das hat uns die Astoria Holding bereits schriftlich zugesichert. Ihr könnt’s mich beim Wort nehmen.«
    Der Mann setzte sich wieder, beifälliges Gemurmel war zu hören. Dann flammte die Diskussion wieder auf, wurde heftig, ja hitzig, es redeten fast nur die Männer. Manche nickten, manche schüttelten resigniert den Kopf. Dieses Projekt wird einen Riss durch die Gemeinde gehen lassen, dachte Pestallozzi. Aber so schien es überall auf der Welt zu sein. Im Namen von Fortschritt und Profit wurden die alten Strukturen beiseite gefegt wie Dachbodengerümpel. Und wenn man …
    Der weißhaarige alte Mann in der ersten Reihe war aufgestanden, es wurde augenblicklich mucksmäuschenstill im Saal. Nur Krinzinger raschelte mit der Zellophanhülle der Krachmandeln. »Das ist unser Altbürgermeister«, flüsterte Krinzinger.
    »Ich weiß schon, das Hotel wird kommen«, sagte der alte Mann. Er hatte sich zum Saal umgedreht, die Männer auf dem Podium schienen ihn nicht zu interessieren. »Das wird sich nicht mehr verhindern lassen. Aber ich möchte euch bitten, gebt’s Acht auf unseren Ort. So vieles verschwindet gerade, was nie mehr zu ersetzen sein wird. Könnt’s euch noch erinnern, wie das früher war? Wie noch keine Shoppingcenter und noch keine Baumärkte auf unseren Wiesen gestanden sind? Wie’s noch keine Zäune gegeben hat rund um die Häuser, und wie niemand die Tür zugesperrt hat, wenn er weggegangen ist? Und heute? Heute sitzt jeder für sich in seiner Burg, mit Gegensprechanlage und Alarmanlage und was weiss der Teufel noch für einem Zeug! Sogar die Kirche muss der Herr Pfarrer jetzt absperren bei Tag, damit nix gestohlen wird! Weit haben wir’s gebracht! Und es wird nicht besser werden, mit so einem Kasten für die reichen Leut schon gar nicht! Das wollt ich euch nur noch einmal gesagt haben!«
    Der Altbürgermeister setzte sich wieder, nestelte ein Stofftaschentuch aus seiner Hosentasche und fuhr sich damit über die Stirn. Der ganze Saal schaute betroffen drein, nur Nikolaus Turnauer auf dem Podium blickte betont lässig auf seine Armbanduhr.
    »Dank dir für deine offenen Worte, Vinzenz.« Der regierende Bürgermeister war wieder aufgestanden und nickte dem alten Mann in der ersten Reihe respektvoll zu. »Ja, das war wirklich ein wichtiger Abend für unsere Gemeinde. Jeder hat seine Position kundtun können. Ich denke, es wird das Beste sein, wenn wir die Versammlung auf Jänner vertagen. Bis dahin …«
    »Bis dahin habt’s alles schon unter Dach und Fach gebracht!«, rief der Loibner von hinten. Aber niemand stimmte ihm zu. Die Leute waren müde geworden und wollten ganz offensichtlich nach Hause gehen.
    »Also wir sehen uns dann wieder im

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