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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Uniformtasche und deutete auf drei leere Stühle in der vorletzten Reihe. »Das sind unsere. Gmoser, mach Platz.« Gmoser, der ganz am Rand saß, stand eilfertig auf und sie zwängten sich an ihm vorbei. Wie auf Kommando klopfte der Bürgermeister energisch auf den Tisch: »Sind jetzt endlich alle da? Können wir anfangen?«
    Pestallozzi drehte sich um. Hinter der letzten Sitzreihe standen die Menschen dichtgedrängt bis zum Ausgang. Eines der Gesichter erkannte er sofort, das war doch der streitbare Loibnerbauer, der sich gerade den Hut in den Nacken schob und auf einem Zahnstocher kaute. Na, das würde kein Zuckerschlecken für den Herrn Bürgermeister werden, Pestallozzi beneidete den Mann nicht um den Job. Zwei junge Frauen standen nebeneinander, eine kam ihm ebenfalls irgendwie bekannt vor. Die andere trug ein T-Shirt unter dem lässig geöffneten schwarzen Anorak. Schlampe stand auf dem T-Shirt, in knallorangen Buchstaben. Die junge Frau zwinkerte ihm zu und ließ eine Kaugummiblase zerplatzen. Pestallozzi sah lieber wieder zum Podium.
    »Also, ihr wisst’s ja alle, worum’s geht«, sagte der Bürgermeister. »Deshalb …«
    »Um die Verschandelung von unserem schönen Ort!«, rief eine alte Frau mit Kopftuch. Kichern lief durch die Reihen, aber auch zustimmendes Gemurmel. Der Bürgermeister hob die Hände. »Aber, aber, liebe Mitbürger. Wir wollen doch heute einen konstruktiven Abend verbringen. Deshalb habe ich auch Herrn Architekt Nikolaus Turnauer gebeten, uns das umstrittene Projekt noch einmal in all seinen Facetten vorzustellen, damit wir anschließend konstruktiv darüber diskutieren können. Herr Georg Öttinger vom Umweltreferat wird ebenfalls ein paar Worte sprechen.«
    »Aber konstruktiv, bitte!«, rief einer. Alle lachten. Der Bürgermeister schwitzte jetzt schon. Ganz im Gegensatz zu dem Mann zu seiner Linken, der sich nun erhob. Ein schöner Mann, dachte Pestallozzi und war selbst verblüfft über sein Urteil. So etwas hatte er sich noch nie über einen Mann gedacht. Und dieser Nikolaus Turnauer wusste ganz offensichtlich Bescheid über die Wirkung seines Aussehens, er stand da, lässig, braungebrannt und selbstbewusst, strich sich die schwarzen Haare zurück, die sich ziemlich lang in seinem Nacken kräuselten und von ganz wenigen grausilbrigen Fäden durchzogen waren. Er trug Jeans und ein blendendweißes Hemd unter dem Tweedsakko, die Uhr an seinem Handgelenk war das gleiche sündhaft teure Modell, das auch Edelzuhälter zu tragen pflegten. Der weibliche Anteil des Publikums war völlig in seinen Bann gezogen, die Männer starrten ihn widerwillig-fasziniert an.
    »Hat die Tochter vom reichsten Baumeister in der ganzen Gegend geheiratet, vom alten Kresnik«, informierte sie Krinzinger, er bemühte sich nicht besonders, seine Stimme zu dämpfen. »Holt sich alle großen Aufträge, der Lackaff. Aber ich beneid’ ihn nicht. Für so viel Erfolg musst in vielen Darmschlingen stecken.« Krinzinger hielt ihnen die Krachmandeln unter die Nase, doch Pestallozzi und Leo lehnten dankend ab.
    Der Lackaffe hielt jedenfalls eine glänzende Rede. »Wichtige Aufwertung des Potentials Landschaft … bedeutsame Investition in die Zukunft unserer Kinder … Schaffung von Arbeitsplätzen in diesen schweren Zeiten … eine Chance, die wir nicht verpassen dürfen.« Als er geendet hatte und sich lächelnd umsah, applaudierte zumindest die Hälfte des Publikums. Dich bringt nichts so leicht ins Schwitzen, dachte Pestallozzi.
    »Danke, Niki, danke dir!« Der Bürgermeister war wieder aufgestanden. »Also ich glaube, ich kann im Namen der überwiegenden Mehrheit unserer Gemeinde …«
    »Gar nix kannst du!«, rief ein weißhaariger alter Mann in der ersten Reihe. »Schau dir doch die ganzen Orte an, die zubetoniert worden sind mit lauter so Luxuskobeln. Geh durch Kitzbühel, da graust’s einem doch, wenn man …«
    »Aber dafür machen die ganzen reichen Russen dort Urlaub! Und Chinesen kommen auch schon, die haben wirklich noch Geld in den Taschen! Nicht so wie die Unsrigen oder die Deutschen, die müssen doch jetzt jeden Cent umdrehen! Damit’s den Griechen und den anderen aus der Patsche helfen können!«
    »Weit hammas gebracht mit der EU! Die ist unser Sargnagel, das sag ich euch!«
    »Lernt’s Chinesisch und Russisch, das sind die Märkte der Zukunft!«
    »Ja, damit dann lauter Schlitzaugen da bei uns durch den Ort laufen!«
    »Dawai, dawai, ura, ura, Frau komm!«
    »Geh, gib a Ruh, Loibner, das ist

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