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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Schachtel mit Abschminktüchern auf einem Regal, stand auf, holte die Schachtel und hielt sie der Kaserer unter die Nase.
    »Danke!« Sie rupfte ein Tuch aus der Schachtel und schnäuzte sich. Pestallozzi setzte sich wieder und sah die junge Frau eindringlich an.
    »Sie hat da was laufen gehabt«, sagte die Marion endlich. »Nix Fixes, so eine G’schicht halt. Mit einem, der immer wieder gekommen ist, aber keiner von da, von den Hiesigen. Sondern von draußen, irgendwo aus der Umgebung von Salzburg, glaub ich, hat sie einmal gesagt.«
    »Und wie lang ist die schon gegangen, diese G’schicht?«
    Sie zuckte mit den Achseln. »So seit dem Sommer, würd ich meinen. Nix Richtiges, die Suse war ganz bestimmt nicht verliebt. Aber der war halt was Besseres. Einer, der immer Fräulein gesagt hat, wenn er was wollte. Richtig ulkig.«
    »Und wie hat er ausgeschaut? Wissen Sie vielleicht sogar seinen Namen?«
    Achselzucken und Kopfschütteln. »So ein Älterer halt. Eine Brille hat er getragen und immer einen Anzug angehabt, sogar mit Gilet. Mir hätt er nicht gefallen, ganz bestimmt nicht. Aber der Suse hat es geschmeichelt, dass sich so ein feiner Pinkel für sie interessiert hat. Und dass er sie zum Essen eingeladen hat, einmal ganz nobel in die Kaiservilla. Dann haben sie, glaub ich, in Ischl übernachtet.« Sie zog eine neue Zigarette aus der Packung. »Aber der war das ganz bestimmt nicht. Das war so ein Braver, Biederer. Das kann ich mir nicht vorstellen.« Sie zündete die Zigarette mit einem kleinen billigen Wegwerffeuerzeug an und holte tief Luft. Pestallozzi rieb nachdenklich seine Hände. Er hätte der Marion Kaserer was über Nette, Brave, Biedere erzählen können, die Dinge mit Frauen und Kindern anstellten, dass sich einem der Magen umdrehte. Aber er holte nur seine Karte aus der Jackentasche und legte sie auf einen Turm aus leeren Pizzaschachteln.
    »Frau Kaserer, wenn Ihnen noch irgendetwas einfallen sollte – und ich bin mir ganz sicher, dass Ihnen noch etwas einfallen wird – dann rufen Sie mich bitte an. Egal, wie spät es ist. Versprechen Sie mir das, ja? Es geht auch um Ihre eigene Sicherheit. Wir müssen den finden, der das der Suse angetan hat. Unbedingt!«
    Sie sah ihn erschrocken an, aber das war ihm nur recht. Die Marion Kaserer musste aus ihrer Lethargie und ihrem Jammer geholt werden und wieder aufwachen und aufmerksam sein. Denn da draußen lief noch immer einer frei herum, dem diese junge Frau ganz bestimmt nicht gewachsen war und der er das Schlimmste ja noch gar nicht gesagt hatte.
    »Die Suse war schwanger. Haben Sie das gewusst?«
    Sie starrte ihn an mit riesengroßen Augen. »Schwanger? Die Suse? Davon hab ich nix gewusst. Das hat sie mir nicht gesagt! Aber, aber wieso …?« Nun schluchzte sie wirklich, die kecke Marion mit dem Schlampen-T-Shirt. Reste von Wimperntusche zogen schwarze Streifen über ihre Wangen, Rotz tropfte aus ihrer Nase. Sie wischte ihn mit dem Ärmel weg. »Dieses Schwein! Sie müssen den finden! Aber wieso hat sie mir nichts erzählt? Ich hätte ihr doch helfen können, ich hätte ihr …«
    »Sie hätte es Ihnen ganz bestimmt gesagt«, sagte Pestallozzi tröstend. Aber Suses Arbeitskollegin und Mitbewohnerin war für Trost nicht mehr empfänglich. Sie konnten sie nur in Ruhe lassen und hoffen, dass sie sich noch einmal melden würde. Und dass sie in Zukunft aufpassen würde.
    Pestallozzi und Leo erhoben sich, ihre Gastgeberin blieb zusammengekauert sitzen. Sie nickten ihr zu und verließen die muffige Wohnung, Leo sog voller Erleichterung die frische Luft ein, als sie wieder vor dem zweigeschossigen Appartementhaus standen, das ziemlich einsam lag. Eine kurze Fahrbahn bog von der Bundesstraße zu der Lichtung ab, erst in großer Entfernung schimmerte durch die Bäume das nächste Anwesen. Hier war Suse möglicherweise am Abend nach der Gemeindeversammlung entlanggegangen, in der Dunkelheit, denn nur eine einzige Straßenlaterne stand vorn an der Kreuzung. Ob sie sich sicher gefühlt hatte? Oder war sie eilig auf das Haus zu gestapft und hatte sich immer wieder umgedreht? War ihr jemand nachgegangen? Oder entgegengekommen? Die Fragen wurden immer mehr. Sein Rücken schmerzte immer heftiger. Der Schnee fiel immer dichter.
    »Und jetzt?«, fragte Leo.
    »Jetzt fahren wir zu diesem Tankstellencafé, wo die Suse gearbeitet hat. Wie heißt der Pächter?«
    »Richard Hallwang. Aber nennt sich nur Ricardo. Dem gehört auch das Espresso, wo wir im vergangenen Sommer

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