Kalter Weihrauch - Roman
gewesen sind. Aber das ist jetzt im Winter gesperrt, dafür betreibt dieser Ricardo einen Stand am Weihnachtsmarkt. Und eben das Café an der Tankstelle. Und eines drüben in Goisern. Der dürfte hier so eine Art King sein, der Ricardo Hallwang.« Leo grinste spöttisch.
»Dann wollen wir dem Herrn Hallwang einen Besuch abstatten.«
Die Bundesstraße war von nassem grauen Schnee bedeckt, die Autos schlichen wie schmutzige Käfer über den Hügel, der hinunter zur Tankstelle führte. Rot und gelb blinkte die Neonreklame durch die Flocken, unübersehbar selbst im Schneetreiben. Wie der Stern von Bethlehem, dachte Pestallozzi. Ein moderner Stern, der Wärme und Behaglichkeit verspricht. Aber er hätte unter diesem Licht nicht um Obdach bitten mögen.
An den Zapfsäulen warteten mehrere Autos, Leo parkte neben der Waschstraße. Sie gingen durch die gläserne Tür, die sich automatisch öffnete, und betraten den Tankstellenshop, der aussah wie überall auf der Welt. Regale voller Zeitschriften und Chipstüten, Tiefkühltruhen mit Eis und Hühnernuggets, hinten an der Wand die Kasse. Rechts führte eine Glastür in einen weiteren Raum mit rustikaler Einrichtung, die offenbar gemütliche Hüttenatmosphäre vorgaukeln sollte. Holztische und -stühle, eine lange Bar mit roten Lederhockern, aus unsichtbaren Lautsprechern dudelte Schlagermusik. Der Raum war leer bis auf einen jüngeren Mann, der hinter der Theke Gläser aus einer Geschirrspülmaschine räumte. Sie lehnten sich an den Tresen, Pestallozzi klappte seinen Ausweis auf.
»Chefinspektor Artur Pestallozzi, und das ist mein Kollege Leo Attwenger. Wir hätten gern mit Herrn Hallwang gesprochen.«
»Der ist nur kurz raus. Muss gleich kommen.« Der Angesprochene blickte betont cool drein. Sie waren offenbar bereits erwartet worden.
»Und Sie sind …«
»I bin der Adi.«
»Ah ja.« Adi. Der Mann war ganz eindeutig nach 1945 geboren, Pestallozzi schätzte ihn auf nicht älter als 35 Jahre. Und er war auf den Namen Adolf getauft worden. Das erzählte eine Menge über seine Familie. Pestallozzi hatte in letzter Zeit öfter den Eindruck, dass Männer wieder Adolf hießen. Er fand das nur wenig erfreulich. Oder war er einfach zu empfindlich? Was konnte ein simpler Vorname dafür, dass vor mehr als einem Jahrhundert ein Säugling auf ebendiesen Namen getauft worden war. Und dann ein Kind geworden war. Ein junger Mann. Und noch später einer, der …
Schritte ertönten in ihrem Rücken, ein Mann kam zur Tür herein, er streckte die Hand schon im Gehen aus. »Ah, die Herren von der Polizei! Habedieehre!« Richard Hallwang sah aus, als ob er soeben aus dem Fitness-Center kommen würde. Durchtrainiert und braungebrannt, ein blitzendes Lächeln im Gesicht. Gekleidet war er wie ein englischer Lord: Schnürlsamthose und Barbour-Jacke, der dunkelblaue Zopfpullover darunter war ganz sicher nicht aus Polyester. Er wies auf einen Tisch in der Ecke. »Passt der? Was darf ich Ihnen anbieten?«
»Gar nichts, vielen Dank!«
»Wirklich nicht? Schade! Adi, mir bringst einen grünen Tee, ja?«
Sie ließen sich an dem Tisch nieder, Pestallozzi lächelte. »Sie sind Teetrinker?«
»Kein Koffein und keinen Alkohol! Und schon gar keine Zigaretten! Bei dem Job muss man gesund leben, sonst bringt er einen um! Ich geh jeden Tag joggen, im Sommer lauf ich sogar rauf aufs Zwölferhorn. Und am Ironman am Wörthersee hab ich schon dreimal teilgenommen! Einmal war ich sogar Vierter in meiner Altersklasse!« Richard Hallwang grinste übers ganze Gesicht, sein Kellner stellte ein Glas mit dampfendem Wasser und Teebeutel vor ihn hin.
»Danke, Adi, kannst gehen! Und häng doch das Geschlossen-Schild an die Tür, sei so gut, ja?« Er wandte sich wieder seinen Besuchern zu. »Das ist Ihnen doch recht, nicht wahr?«
Pestallozzi nickte. »Sie wissen ja, weshalb wir da sind, Herr Hallwang. Was können Sie uns also über Ihre Angestellte Susanne Kajewski erzählen?«
Ihr jovialer Gastgeber wurde augenblicklich ernst. »Die Suse, tja, das war ein wirklich nettes Mädl. Furchtbar, ganz furchtbar, was da passiert ist. Aber ich befürchte, ich kann Ihnen beim allerbesten Willen nicht weiterhelfen. Sie hat für mich gearbeitet, das ist richtig. Aber das ist auch schon alles. Privat verkehre ich nicht mit meinen Kellnerinnen.«
»Aber sie hat doch in einem Appartement gewohnt, das Ihnen gehört, oder? Wo sie mit einer zweiten Angestellten von Ihnen, Frau Marion Kaserer, zusammengewohnt hat.«
»Genau.
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