Kalter Zwilling
vorkommt.« Bettina Winterfeld erhob sich schwerfällig von ihrem Stuhl und wankte leicht benommen aus dem Büro des Professors hinaus. Er hatte vollkommen recht, sie musste sich erholen. Nach dem Schlag auf den Hinterkopf, den dieser Wahnsinnige ihr versetzt hatte, pochte ihr Schädel wie ein praller Gartenschlauch, der kurz vor der Explosion stand. Sie würde nach Hause fahren, sich auf die Couch legen und die Schwellung mit Eis kühlen. Morgen war ein neuer Tag, und den würde sie voll frischer Energie beginnen. Professor Morgenstern sollte merken, dass er in ihr eine zuverlässige Arbeitskraft gefunden hatte, die ihren Job ohne Fehler und mit großem Engagement ausfüllte.
...
Das Telefon klingelte. Das war bereits der zehnte Anruf an diesem Tag. Die Polizeibeamtin Petra Ludwig war erstaunt darüber, wie viele Männer ihre Lust bei einer Prostituierten befriedigten. Noch nie hatte das Telefon einer Toten so oft geklingelt wie dieses hier. Sophia Koslow konnte sich vor Anfragen kaum retten. Gewissenhaft überprüfte Petra ihren Bildschirm. Die Sprachaufnahme lief, es konnte losgehen. Sie schnippte kurz mit den Fingern und bedeutete ihrem Kollegen, er solle Kommissar Oliver Bergmann aus dem Nachbarbüro herüberholen. Er hatte ausdrücklich darum gebeten, über jedes Telefonat informiert zu werden. Jeder Freier wurde akribisch von der Polizei verhört in der Hoffnung, schnellstmöglich auf eine brauchbare Spur zu stoßen. Petra Ludwig wartete noch zwei Klingeltöne ab und nahm das Gespräch genau in der Sekunde entgegen, in der Oliver Bergmann das Zimmer betrat.
»Guten Tag«, hauchte Petra in das Telefon. »Was kann ich für dich tun?«
»Sophia? Bist du das? Hier ist Klaus.«
Olivers Herzschlag setzte für den Bruchteil einer Sekunde aus. Er hatte die Stimme seines Partners sofort erkannt.
»Ich bin wieder in der Stadt und muss dich sehen, Süße.« Petra blickte angestrengt auf die Ortungssoftware ihres Computers. Noch drei Sekunden und sie wusste, von wem und woher der Anruf stammte. Sie schindete Zeit, indem sie ein verführerisches »Ja« ins Telefon hauchte. Dann blinkte die Anzeige grün auf. Sie hatten ihn.
»Hier spricht Petra Ludwig, Kriminalkommissariat Neuss. Bitte nennen Sie mir Ihren kompletten Namen.«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille. Dann folgte ein kurzes Klicken und die Leitung war tot. Oliver konnte sich nicht rühren. Er war regelrecht zu Stein erstarrt. Wie in Zeitlupe sah er, wie sich die Lippen von Petra Ludwig langsam öffneten und wieder schlossen, während sie den Vor- und Nachnamen seines Partners laut und deutlich vom Computerbildschirm ablas. »Klaus Gruber« - wie ein Echo hallte der Name in seinem Kopf, während er krampfhaft überlegte, was er jetzt tun sollte. Er öffnete den Mund, um eine lapidare Bemerkung zu machen, als sein Handy schrill klingelte. Oliver zuckte zusammen. Zügig zog er das Telefon aus der Tasche und sah Klaus‘ Namen im Display.
»Einen Augenblick bitte, ich bin gleich zurück.«
Olivers Stimme klang brüchig. Er machte eine entschuldigende Geste und ließ seine verwunderten Kollegen ohne weiteren Kommentar stehen. Schnurstracks rannte er in sein Büro und hob ab.
»Klaus, du Wahnsinniger! Was hast du getan?«
»Verdammt noch mal, sage du mir lieber, was um Himmels willen mit Sophia passiert ist. Wieso habe ich die dumme Kuh von Ludwig am Telefon?« Seine Stimme zitterte. Er ahnte, dass etwas Schlimmes geschehen war.
»Sie ist tot, Klaus.« Oliver fand langsam seine Contenance wieder.
»Wie?«, Klaus schluchzte am Telefon.
»Ermordet, vermutlich von einem durchgeknallten Freier.«
»Hat sie gelitten?« Seine Stimme bebte.
»Verdammt, Klaus. Warum willst du das hören?« Oliver überschlug sich fast. »Reicht es nicht aus, dass du mit der Toten in Verbindung gebracht wirst? Sie war eine Prostituierte, zum Teufel noch mal!«
»Sie war anders. Ich habe sie geliebt.« Klaus‘ Stimme klang leise und traurig.
»Was soll das heißen, du hast sie geliebt? Du warst gerade zwei Wochen lang mit Sonja im Urlaub? Wieso tust du ihr das an?«
»Das verstehst du nicht, Oliver. Hör zu, können wir uns treffen? Ich komme zu deiner Wohnung, da können wir ungestört reden«
»Meinetwegen, ich mache mich sofort auf den Weg. Ich hoffe, du hast bis dahin eine gute Erklärung für dein Verhalten parat.« Oliver legte auf. In spätestens einer halben Stunde würde er wissen, was Klaus mit dieser Sophia zu tun hatte. Kaum dass er im
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