Kalter Zwilling
brutaler Mord an einer Prostituierten begangen wurde. Am Ende dieser logischen Kette fehlte jedoch etwas ganz Entscheidendes: Für keinen der drei Morde hatte Hammerschmidt ein Motiv. Klaus malte eine dicke Wellenlinie mit einem Blitz auf das Whiteboard. Sie waren nicht auf der richtigen Fährte.
Die Bürotür öffnete sich und Oliver Bergmann trat gemeinsam mit Petra Ludwig ein. Klaus biss sich auf die Zunge. Er konnte dieses Karrierebiest eigentlich nicht ausstehen, aber die Vertrautheit, die zwischen ihr und Oliver zu herrschen schien, ließ ihn schweigen.
»Klaus!«, Oliver strahlte über das ganze Gesicht. »Mensch ist das schön, dich in diesen farblosen Gemäuern wieder zu sehen.« Sein Blick wanderte zum Whiteboard und er grinste. »Ohne diese Tafel wäre dein Leben nicht perfekt, richtig?« Oliver erinnerte sich noch genau, wie Klaus dieses Whiteboard angeschleppt hatte. Er hatte die Kommunikation zwischen ihnen verbessern wollen. Oliver hasste diese Dinger eigentlich und machte sich lieber Notizen in einem Buch, aber heute hatte er nichts daran auszusetzen. Er war einfach nur froh, wieder hier zu sein.
Petra Ludwig begrüßte Klaus mit einem kurzen Kopfnicken und stellte sich vor die weiße Tafel. Sie nahm einen Stift zur Hand und schrieb zehn weitere Namen auf.
»Was bedeuten diese Namen?«, fragte Klaus.
Petra antwortete nicht sofort. In fetten Buchstaben schrieb sie »Analverkehr« über die Linie, die die Verbindung zwischen Ronny Hammerschmidt und Sophia Koslow kennzeichnete. Klaus riss die Augen auf und blickte unsicher zu Oliver hinüber. Dieser grinste. »Das ist der Grund, warum Ronny Hammerschmidt regelmäßig in den Puff ging. Er hat uns erzählt, dass seine Frau keine Lust darauf hatte.« Er tippte mit dem Finger auf das Wort, welches Petra Ludwig gerade auf die Tafel geschrieben hatte.
»Die zehn Namen an der Wand gehören zu Studenten, die am Tag der Ermordung von Professor Neuhaus an einer Leichensektion teilgenommen haben. Es war der einzige Kurs an diesem Tag, da alle anderen Hörsäle wegen Renovierungsarbeiten geschlossen waren.«
Die Tür ging auf und ein älterer Polizist trat ein. Petra spürte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte. Dieser Mann gehörte zu ihrem Recherche-Team und hatte ihr in den letzten Wochen besonders zu schaffen gemacht. Doch diesmal blickte er sie freundlich an und drückte ihr einen Stapel Papier in die Hand. Erstaunt registrierte Petra, dass er ihre Aufträge bereits erledigt hatte. Sie lächelte dankbar.
»Hier sind die Stammdaten zu allen zehn Studenten. Am besten teilen wir uns auf.« Mit diesen Worten drückte Petra ihren beiden Kollegen mehrere Blätter in die Hand.
...
Anna wälzte sich in ihrem Bett hin und her. Bis zum Schlafengehen hatte sie Emilys Reportage Korrektur gelesen und war mit dem Gedanken an die Münzfälscherbande eingeschlafen, die vor über fünfhundert Jahren in Zons ihre Geschäfte gemacht hatte.
Anna träumte von Bastian Mühlenberg. Sie traf ihn am Rhein, ganz in der Nähe des Zollturms. Er saß da und ließ Kieselsteine übers Wasser hüpfen. Sie setzten mehrfach auf der Oberfläche auf und hörten sich an wie dicke Regentropfen, die auf ein Fenster prallten. Anna mochte das Geräusch nicht. Trotzdem lächelte sie, als Bastian sich zur ihr umdrehte und sie mit großen tiefbraunen Augen ansah. Ihr Herz pochte aufgeregt.
Plötzlich saßen sie nicht mehr gemeinsam am Rhein, sondern standen in einer alten Schmiede. Bastian nahm sie an die Hand, während sie zusahen, wie der Schmied mit einem schweren Hammer den Prägestempel in die noch nicht abgekühlten Münzen schlug. Ein stehender Petrus mit einem Buch in der einen und dem Himmelsschlüssel in der anderen Hand war deutlich auf den Gulden zu erkennen. Bastian drückte ihr eine fertige Münze in die Hand und küsste sie dabei auf die Lippen. Dann verschwand er und Anna blieb alleine mit dem Schmied in der heißen, stickigen Werkstatt zurück.
Sie rief Bastians Namen und fand ihn auf einer herbstlichen Lichtung im Wald wieder. Sie wunderte sich kurz, wie sie dort hingekommen war, doch dann hockte sie sich zu Bastian ins Dickicht und sah zu, wie zwei junge Burschen mit einem Hundewelpen herumtollen. Beide glichen sich bis aufs Haar. Es waren Zwillinge.
Einer von ihnen lief plötzlich auf sie zu und Anna stellte erschrocken fest, dass er aussah wie jemand, den sie kannte. Verzweifelt kramte sie in ihrem Gedächtnis. Wo hatte sie diese grünen Augen und das
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