Kalter Zwilling
fehlt daher immer noch das Motiv.«
Oliver war schwer beeindruckt. Wie mühsam hatte er diese Information recherchieren müssen, die sie da einfach so herausplapperte. Er lächelte.
»In Ordnung, dann fragen wir Ronny Hammerschmidt jetzt einfach, was er bei der Prostituierten Sophia Koslow zu suchen hatte.«
...
Kevin war fasziniert. In der Pathologie hatte er gelernt, wie einfach es war, Blutgefäße abzuklemmen. Obwohl die weiße Maus vor ihm nur noch zwei Beine und keinen Schwanz mehr hatte, lebte sie weiter. In der freien Natur wäre sie verblutet, aber Kevin war in der Lage, sie am Leben zu erhalten. Er fragte sich, ob sie Schmerzen litt. Seine Augen wanderten zum Futternapf. Er war leer. An Appetitlosigkeit schien die Maus jedenfalls nicht zu leiden. Er zog ein dünnes Stromkabel hervor und schaltete ein. Vorsichtig tippte er mit seinen Fingerkuppen an das offene Ende, aus dem die kupfernen Drähte heraushingen. Ein leichtes Kribbeln fuhr durch seine Hand. Er regelte den Strom herunter und prüfte die Stärke des Stromschlages erneut. Das Kribbeln war kaum mehr als ein sanfter Lufthauch. Diese Stärke sollte für die weiße Maus genau richtig sein. Ein teuflisches Grinsen erschien auf Kevins Gesicht. Nervös leckte er sich die Lippen, während er den Draht immer dichter an das Tier heranführte.
Die Nase der Maus bewegte sich hektisch und ihre Kulleraugen platzten fast, als der Stromschlag sie erwischte. Kevin genoss diesen Anblick. Er wartete einige Sekunden, bevor er sie erneut berührte. Panisch versuchte die Maus, auf ihren zwei Beinen zu entkommen. Sie vollführte krampfende Bewegungen auf dem zerknitterten Zeitungspapier in ihrem Käfig und kroch bäuchlings mit den Gliedmaßen rudernd vorwärts. Peng! Abermals ging ein Stromschlag durch ihren Körper. Kevin lachte erregt und drehte den Strom ein kleines bisschen mehr auf. Das sollte das Biest verkraften, dachte er und leckte sich wiederholt über die trockenen Lippen. Er ließ sie noch ein paar Zentimeter weiter vorwärts kriechen und hielt den Draht direkt vor ihre Nase. Sie sollte den Schmerz kommen sehen. Peng! Ihr Körper zuckte erneut und Kevin fühlte sich wie Gott.
Dann lag sie plötzlich still da, die Augen weit aufgerissen. Verdammt, sie war tot. Er hatte es übertrieben. Wütend warf er den Draht weg. Mist! Er hatte die Maus so gut präpariert, jetzt würde er eine Neue vorbereiten müssen.
...
Bettina Winterfeld schlüpfte aus ihrem weißen Schwesternkittel und hängte ihn in einem grauen Spind auf. Der Duschraum für die Schwestern war nicht besonders schön, aber wenigstens sauber. Bettina duschte gerne nach der Arbeit, insbesondere dann, wenn sie eine anstrengende Nachtschicht hinter sich hatte.
Sie warf das Handtuch über einen Plastikhocker und drehte die Dusche auf. Ein angenehm warmer Wasserstrahl prasselte auf die weißen Kacheln und mit einem wohligen Seufzer ließ sie sich ihren verspannten Nacken vom Wasser massieren. Sie schloss die Augen. Es war jetzt fünf Uhr morgens und sie sehnte sich nach ihrem Bett.
Die Nachtschicht hatte sie heute zum ersten Mal wieder in der roten Etage verbringen müssen. Seit dem Vorfall mit Adrian Helmhold war die Angst vor einer erneuten Unvorsichtigkeit ihr ständiger Begleiter. Das Wasser lief warm über ihr Gesicht und Bettina fühlte, wie sie sich langsam entspannte. In dieser Nacht war ihre Schicht ruhig verlaufen.
Alle zwei Stunden lief sie ihre Runden und kontrollierte die Patienten. Sie war mit einer Taschenlampe und einem Schlüsselbund ausgerüstet. Die Taschenlampen waren vor zwei Jahren eingeführt worden, weil sich die Patienten über die ständigen Störungen ihrer Nachtruhe während der Rundgänge beschwert hatten. Seitdem öffnete die Nachtschicht die Türen leise und verzichtete darauf, das Deckenlicht in den Zimmern einzuschalten. Nur mit dem schwachen Lichtstrahl der Taschenlampe kontrollierten sie, ob der Patient im Bett lag und schlief.
Die Türen waren von außen durch eine Kette gesichert, damit niemand hinter der Tür lauern und diese von innen aufreißen konnte. Da diese Sicherheitsvorkehrung lästig war, wurde sie nur allzu oft vergessen, weshalb die Kontrollen immer zu zweit durchgeführt wurden. Heute Nacht begleitete sie Nils Wengler, der Pfleger, der ihr bei dem Überfall geholfen hatte. In seiner Gegenwart fühlte sie sich seitdem sicherer als mit anderen Kollegen.
Bettina drehte sich um und griff nach der Seife. Ein kalter
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