Kalter Zwilling
Es war feucht und er konnte das Wasser von den Wänden tropfen hören. Seine Schuhe wurden nass. Er zählte seine Schritte und merkte sich jeden Richtungswechsel genauso wie jede neue Kelleröffnung, die er durchschritt. Dann hörte er ein Geräusch. Etwas quietschte laut - wahrscheinlich eine Ratte. Gleich darauf fluchte eine Männerstimme. »So seid doch leise oder wollt Ihr, dass wir entdeckt werden?« Bastian hielt den Atem an. Das mussten sie sein! Er näherte sich weiter und nahm einen schwachen Lichtschein war. Den Umweg und das Täuschungsmanöver hätte er sich sparen können, denn die Entführer hatten sich tatsächlich im Keller des Nachbarn verschanzt. Drei Kerle standen in dem feuchten Kellerraum, mit dem Rücken zu ihm gewandt. Vor ihnen, an einen Stuhl gefesselt, saß Marie. Bastian konnte sie an ihren langen blonden Haaren erkennen. Sie bewegte sich nicht. Bastian spürte, wie die Angst seine Eingeweide hinaufkroch. Er visierte zwei von den Kerlen mit der Spitze seines Schwertes und stach zu.
Der Erste ging sofort zu Boden. Bastian hatte ihm sein Schwert tief in den Brustkorb gestoßen. Der zweite Kerl hatte sich rechtzeitig weggedreht. Bastian sprang einen Schritt zurück. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, dass ein Mann Marie vom Stuhl losband und mit ihr fliehen wollte. Schnell führte er seinen nächsten Angriff aus. Sein Gegenüber war ein geübter Schwertkämpfer. Er hielt Bastian in Schach. Bastian traf ihn am Schwertarm. Blut schoss in einer hohen Fontäne und spritzte an die grauen Kellerwände. Er keuchte und stieß schnell nach, bevor sein Angreifer wieder zur Besinnung kam. Dieser traf ihn mit einem heftigen Tritt am Knie. Bastian sank zusammen. Ein weiterer Schlag traf seinen Kopf. Blut lief von seiner Stirn hinab. Er konnte den metallischen Geschmack auf seinen Lippen spüren. Der Angreifer versuchte einen tödlichen Hieb zu setzen, doch Bastian wich aus und brachte ihn mit Hilfe einer Finte zum Stolpern. Mit einem lauten Schrei stieß Bastian sein Schwert in die Seite des Mannes. Blut tränkte den Boden.
Bastian kümmerte sich nicht weiter darum und wandte sich dem dritten Entführer zu. Er wusste, dass er es mit einem schnellen und geschickten Angreifer zu tun hatte. Überrascht erkannte er den hageren Mann, dem er im Kloster Brauweiler erstmals begegnet war. Er hatte ein Messer an Maries Kehle gelegt und grinste.
»Tötet mich und ich schneide ihr die Kehle durch, während ich meinen letzten Atemzug mache«, zischte er böse. Er lockerte seine Haltung und fing an zu lachen.
Bastian war irritiert, ließ ihn jedoch nicht aus den Augen und richtete sich drohend auf. Ein kalter Gegenstand in seinem Nacken ließ ihn innehalten. Jemand hielt ihm eine Waffe ins Genick. In Maries Gesicht konnte er das blanke Entsetzen lesen. Dann verdrehte sie die Augen nach oben und sackte ohnmächtig zusammen. Der hagere Mann lockerte die Klinge an ihrer Kehle nicht.
Das ist das Ende, dachte Bastian. Sie werden uns beide töten und hier unten liegenlassen. Krampfhaft überlegte er, wie er seinen Angreifer überwältigen könnte, ohne dass der im selben Augenblick Marie die Kehle durchschnitt. Seine Augen maßen fieberhaft die Entfernung zwischen ihm und Marie ab. Mit drei oder vier Schritten könnte er dort sein, sofern es ihm gelang, seinen Angreifer auf Anhieb unschädlich zu machen. Doch das würde zu lange dauern. Der Hagere könnte ihr ohne Eile die Kehle durchschneiden.
»Ihr hättet Euch nicht in meine Angelegenheiten einmischen sollen! Und ...«, er machte eine abfällige Handbewegung, »das Zählen hat man Euch wohl auch nicht beigebracht. Sonst hättet Ihr meinen dritten Mann nicht übersehen!« Ein gehässiges Lachen kam aus seiner Kehle.
»Wer seid Ihr und was treibt Ihr in unserer Stadt?« Bastian versuchte, seine Stimme zu beherrschen und nicht vor Wut zu zittern.
Der Fremde lachte. »Ihr hättet einfach Eure Augen schließen können. Was gehen Euch meine Goldgulden an?«
»Auf Münzfälscherei steht die Todesstrafe!«, erwiderte Bastian.
»Nun ...« Der hagere Mann hielt mitten im Satz inne und erstarrte plötzlich. Bastian blinzelte und traute seinen Augen nicht. Eine Schlinge, wie aus dem Nichts aufgetaucht, hatte sich um die Kehle des Hageren gelegt und sich zu einer tödlichen Falle zusammengezogen. Er brauchte keinen Wimpernschlag, um eine Entscheidung zu treffen. Eine weitere Chance würde es nicht geben.
Er fuhr mit einer solchen Wucht herum, dass sein Angreifer überrascht
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