Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalter Zwilling

Kalter Zwilling

Titel: Kalter Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Shepherd
Vom Netzwerk:
schlank, aber nicht hager. Seine Bewegungen waren jugendlich. Bastian stutzte. Wer war dieser Fremde? Er konnte weder den hageren Mann noch den Bruderältesten in der Silhouette dieser Gestalt erkennen. So in Gedanken versunken, setzte Bastian, immer noch auf allen Vieren unterwegs, sein Knie auf trockenem Laub ab, das knirschend zerbröselte. Der Fremde hörte augenblicklich auf zu graben und drehte den Kopf in seine Richtung. Bastian schaute ungläubig in ein ihm wohlbekanntes Gesicht. Vor ihm saß einer der Zwillinge! Im Fackelschein erkannte er die braunen Locken, welche das blasse Gesicht einrahmten. Bastian sprang auf und rannte los.
    »Halt! Bleibt auf der Stelle stehen!«, brüllte er, noch während er durch die Luft flog und versuchte, den fliehenden Zwilling zu stellen.
    Doch der junge Mann war schneller. Er hatte Bastian kommen sehen und schlug im letzten Augenblick einen Haken. Wie ein Hase änderte er in schneller Taktung die Richtung. Bastian erwischte nicht mehr als seinen Mantel. Wütend warf er diesen beiseite und raste dem jungen Burschen hinterher. Zweige peitschten ihm ins Gesicht, doch er bemerkte es nicht. Mühelos sprang der Junge über die Steine auf dem Boden und rannte durch das Unterholz. Nach kurzer Zeit war er im Dunkel der Nacht verschwunden. Notgedrungen gab Bastian die Verfolgung schließlich auf. Seine Lungen brannten und die Muskeln in seinen Oberschenkeln schmerzten vor Anstrengung.
    Er sog tief Luft ein und versuchte, seinen Atem zu beruhigen. Morgen würde er sich den Jungen vornehmen. Bastian kehrte um und lief zu dem Loch im Waldboden zurück. Die Fackel brannte immer noch und spendete schwaches Licht. Der Sack mit den Münzen war noch da. Bastian ergriff die Schaufel und grub weiter, doch er fand nichts außer Erde. Erschöpft ließ er sich fallen und lehnte sich an einen dicken Baumstamm.
    Er konnte nicht einmal sagen, welchen der beiden Brüder er vor sich gehabt hatte. War es Christan oder August gewesen? Egal, morgen würde er mit ihrer Stiefmutter sprechen und dann würde es gewaltigen Ärger geben.
    Ob einer der beiden tatsächlich ein Mörder war? Bastian schüttelte den Kopf. Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Die Mutter der beiden war bereits bei der Geburt gestorben und die Brüder wirkten schüchtern und zuvorkommend. Keiner der beiden hatte je Aggression oder Gewaltbereitschaft gezeigt. Vielleicht hatte der Zwilling den Mord beobachtet und gesehen, wie der Mörder die Goldgulden vergraben hatte.
    Wenn Gilig doch der Mörder war, dann wusste der Zwilling, dass er das Gold - jetzt, wo der Bucklige im Juddeturm festsaß - in Ruhe ausgraben konnte. Niemand kannte das Versteck und der Bucklige konnte ihm nicht mehr in die Quere kommen. Bastian stockte. Aber warum war er dann nicht sofort zur Stadtwache gekommen und hatte von dem Mord erzählt? Das ergab keinen Sinn. Die Wahrscheinlichkeit war höher, dass der wirkliche Mörder dem Jungen Lügengeschichte aufgetischt und ihn dafür bezahlt hatte, dass dieser den Schatz mitten in der Nacht ausgrub. Der Junge ahnte sicher nichts Böses. Bastian nickte. So musste es sein! Gleich am nächsten Morgen würde er mit den Brüdern sprechen. Wenn sie ihren Auftraggeber verrieten, dann war er dem Mörder ganz dicht auf der Spur!
     
     
    ...
     
     
    Die Gedanken in Bastians Kopf kreisten so heftig um diesen Fall, dass er einfach keine Ruhe fand. Statt nach Hause zu laufen, hämmerte er mitten in der Nacht an Wernharts Tür.
    »Wernhart, mach auf! Ich muss dich sprechen.«
    Wernhart öffnete schlaftrunken die Tür. »Was machst du hier mitten in der Nacht? Hat dein Weib dich vor die Tür gesetzt?« Ein schelmisches Grinsen hüpfte über Wernharts Gesicht.
    Bastian stürmte in die Stube hinein und warf den Sack mit Münzen auf einen Tisch. Klirrend rollten ein paar Goldgulden heraus.
    »Wo hast du das Gold her? Hast du die Säcke aus Giligs Haus geplündert?«
    »Nein. Die habe ich im Wald gefunden. Keine zehn Meter von der Stelle entfernt, an der die Leiche des Schmiedes entdeckt wurde.«
    Wernhart starrte Bastian ungläubig an. »Was suchst du mitten in der Nacht im Wald?«
    Bastian holte tief Luft und erzählte Wernhart von seinem nächtlichen Erlebnis. Wernhart brauchte ein paar Augenblicke, bis er begriff, was Bastian ihm da erklärte.
    »Wir sollten den Bruderältesten sofort befragen, bevor der Zwilling ihn warnen kann!«
    »Der Auftraggeber könnte auch der hagere Mann sein«, warf Bastian ein.
    »Ja, und deshalb

Weitere Kostenlose Bücher