Kalter Zwilling
müssen wir Reinhold Nolden befragen und herausfinden, ob er dahintersteckt. Wenn nicht, dann war es der Fremde.«
Bastian stimmte zu. »Du hast recht, Wernhart. Wir sollten keine Zeit verlieren. Außerdem muss der Bruderälteste den hageren Fremden kennen, wenn du die beiden vor ein paar Nächten richtig beobachtet hast.«
Eilig verließen sie Wernharts Hütte und machten sich in Richtung Zehntgasse auf. Mitternacht war lange vorbei und der klare Nachthimmel brachte die eisige Luft zum Klirren. Um diese Uhrzeit war nicht einmal mehr der Nachtwächter unterwegs und so liefen sie, ohne besonders auf ihre Deckung zu achten, auf das Haus des Bruderältesten zu. Keine Menschenseele hatte sie bis dahin beobachtet. Ohne zu zögern, pochte Bastian an Noldens Tür. Erst leise und zögerlich, dann immer lauter und fordernder. Schließlich hörten sie, wie Reinhold Nolden schimpfend die knarrende Treppe hinunterstieg. Die Tür öffnete sich einen Spalt.
»Was wollt Ihr mitten in der Nacht? Seid Ihr nicht ganz bei Sinnen?«, zischte der Bruderälteste wütend durch den Schlitz.
Bastian stieß kräftig gegen die Tür, doch sie war von innen mit einer Kette gesichert und schwang sofort zurück.
»Macht die Tür auf. Wir müssen mit Euch reden!«
»Ja doch. Lasst mich die Kette entriegeln, dann öffne ich Euch!« Der Bruderälteste fluchte und schloss die Tür. Bastian hörte, wie er sich an der Kette zu schaffen machte. Dann trat plötzlich Stille ein. Bastian wartete einen Moment und schlug dann erneut erbost gegen das Holz.
»Verdammt, Reinhard Nolden! So öffnet die Tür!«
Schlurfende Schritte näherten sich und die Tür ging auf. Wütend stieß Bastian sie sperrangelweit auf und trat gemeinsam mit Wernhart ein.
»Was fällt Euch ein? Wollt Ihr uns an der Nase herumführen?«
Der Bruderälteste winkte ab und deutete mürrisch auf den Tisch, auf dem drei Becher und zwei Weinkrüge standen.
»Ich habe uns Wein besorgt oder wollt Ihr mich auch noch dursten lassen, wenn Ihr mich schon um meine Nachtruhe bringt?«
Bastian setzte sich und knallte mit der rechten Hand mehrere Goldgulden auf den Tisch. Dann nahm er einen kräftigen Schluck Wein und fragte: »Habt Ihr dafür eine Erklärung?«
Der Bruderälteste wirkte nicht verwundert. Ruhig setzte er sich und trank ebenfalls vom Wein, bevor er antwortete: »Ich kenne diese Münzen nicht. Sind es die, die Ihr in Giligs Haus gefunden habt?«
Bastian erwiderte in gelassenem Tonfall: »Nein, die hier habe ich in einem Loch direkt neben dem Fundort der Leiche des Schmiedes gefunden!«
Die Augen des Bruderältesten weiteten sich erstaunt. Er stotterte: »Dann hat der Schmied also doch etwas von den Goldgulden beiseitegeschafft und ich hatte schon den Buckligen in Verdacht!« Sofort biss er sich auf die Lippen und schwieg.
Bastian rückte seinen Stuhl näher an Reinhard Nolden heran. »Ihr kennt diese Münzen also doch!«, stellte er mit rauer Stimme fest. Bastian spürte, dass er kurz vor dem Durchbruch stand. Das Gesicht des Bruderältesten war dunkelrot angelaufen und Bastian konnte kleine Schweißperlen auf seiner Stirn erkennen.
Wernhart tat es Bastian nach und rückte ebenfalls dicht an den Bruderältesten heran. »Ich habe Euch vor ein paar Nächten belauscht!«
Reinhard Nolden riss entsetzt die Augen auf. Seine Lippen bebten. Wernhart fasste nach: »Für wen lasst Ihr die Münzen fälschen?« Seine Stimme klang fast freundlich, als er hinzufügte: »Ihr wisst ja, dass Ihr vielleicht mit dem Leben davon kommt, wenn Ihr uns verratet, wer hinter den Münzfälschungen steckt.«
Der Bruderälteste lachte hysterisch auf. »Ihr habt doch keine Ahnung, mit wem Ihr Euch da anlegt. Mein Leben habe ich so oder so verwirkt.« Er legte beide Hände auf den Tisch und senkte den Kopf. In dieser Stellung und mit geschlossenen Augen verharrte er eine Weile, wie zu einem stillen Gebet. Dann nahm er den zweiten Weinkrug zur Hand und schenkte sich nach. In gierigen Zügen trank er den Wein aus und lehnte sich dann zurück. »Ich kann Euch nur raten, Euch nicht mit meinem Auftraggeber anzulegen. Er versteht nicht viel Spaß, wenn es um Gulden geht.«
Bastian hakte nach: »Wer ist Euer Auftraggeber? Hat er den Schmied auf dem Gewissen?«
Reinhold Nolden blickte Bastian tief in die Augen. Sein Blick verklärte sich. »Ich weiß nicht, wer das verbrannte Bettelweib oder den Schmied auf dem Gewissen hat. Die fehlenden Münzen sind erst nach seinem Tod aufgefallen. Bis dahin hatte
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