Kaltes Blut
rufen wir an, und dann kommt ihr ganz schnell zu uns.«
»Sie haben zwei Tage Extraurlaub, wenn alles vorbei ist. Dann können Sie relaxen, soviel Sie wollen. Und jetzt verschwinden Sie endlich, ich bin schon ganz gespannt.«
Während sie über den Flur gingen, sagte Hellmer: »Wollen wir ein bisschen mit ihm spielen?«
»Wie meinst du das?«
»Wir tun erst mal so, als kämen wir in friedlicher Mission. Und dann, peng, knallen wir ihm eine Breitseite vor den Bug. Ich freu mich schon diebisch drauf«, sagte er mit entschlossener Miene.
»Wir können nur hoffen, dass er zu Hause ist.«
»Er ist zu Hause, das hab ich im Urin. Und seine liebe Gattin ist auch da.«
»Sei nicht so gehässig ihr gegenüber, sie hat nichts verbrochen.«
»Okay, okay, okay, wir konzentrieren uns ausschließlich auf ihn. Aber diesmal spielen wir mit harten Bandagen.«
Mittwoch, 10.22 Uhr
Vor dem Haus der Kaufmanns. Die Fenster im Obergeschoss waren alle geöffnet, laute klassische Musik, die bis auf die Straße zu hören war.
»Wieso haben die die Musik so laut? Ob die noch gar nicht wissen, was passiert ist?«
»Blödsinn!«, quetschte Hellmer durch die Zähne.
Der Briefträger warf die Post durch den Briefschlitz, tippte einmal die Klingel an und ging weiter. Sonja Kaufmann kam heraus und erblickte die Kommissare. Das Weiße in ihren Augen war rot, sie wirkte ausgelaugt und erschöpft.
»Hallo, ich habe schon mit Ihnen gerechnet«, sagte sie leise.
»Ist Ihr Mann auch da?«
»Ja, im Wohnzimmer. Er hat die Musik ganz laut gestellt, das macht er immer, wenn ihm etwas besonders nahe geht. Das war bei Selina so, bei Miriam und jetzt bei Helena. Kommen Sie. DieStimmung ist aber alles andere als berauschend. Dazu noch diese Musik, ich habe ihn extra gebeten, das auszumachen, es zieht mich noch mehr runter.«
Achim Kaufmann hatte ein Tuch und Möbelpolitur in der Hand und wischte den Staub von den Möbeln. Er hörte die Kommissare nicht kommen und wandte sich erschrocken um, als seine Frau ihm von hinten auf die Schulter tippte.
»Stell das bitte leise, oder mach’s am besten ganz aus. Frau Durant und Herr Hellmer sind da.«
Er nickte den Beamten zu, nahm die Fernbedienung und schaltete die Anlage aus.
»Guten Tag, Herr Kaufmann«, sagte Durant und sah sich noch einmal um. Ihr gefiel dieses Haus, die Einrichtung aus alten und neuen Möbeln, die diesem Raum eine besondere Note verliehen, der Parkettboden, die lange Bücherwand, die Helligkeit. Vom großen Fenster aus konnte man den ganzen Garten überblicken, mit dem Swimmingpool, dem Goldfischteich, den Sträuchern und Büschen, deren Namen Durant nie behalten würde, der Hecke, die gut drei Viertel des Grundstücks umrahmte, der kurz geschnittene, gepflegte Rasen, das Rosenbeet und der Steingarten. In diesem Moment konnte sie sich nicht vorstellen, sich im Haus eines Serienmörders zu befinden, und sie fragte sich, ob sie sich nicht in etwas verrannt hatten. Vielleicht gab es für das, was Kullmer und Seidel am Morgen herausgefunden hatten, eine ganz einfache Erklärung, denn sie spürte hier keine unangenehmen Schwingungen wie bei den Malkows zum Beispiel. Alles wirkte friedlich und ruhig, ausgeglichen und harmonisch. Ein ganz eigenartiger, besonderer Duft zog sich unsichtbar durch den Raum, ein Duft, der sich nahtlos in die harmonische Atmosphäre einfügte. Du bist verrückt, dachte sie und sah Kaufmann an, dessen betroffener Blick Bände sprach. Du bist verrückt, wenn du glaubst, dass er der gesuchte Killer ist.
»Ich wünsche Ihnen ebenfalls einen guten Tag«, sagte er, ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht, das aber schlagartigwieder ernst wurde. »Bitte, nehmen Sie Platz. Sie haben sicherlich Durst. Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten?«
»Nichts, danke.«
Sonja Kaufmann hatte sich bereits gesetzt, ihr Mann stellte die Flasche mit der Politur auf den Schrank, legte das Tuch über die Flasche und setzte sich zu seiner Frau.
»Das war vielleicht ein Schock, als wir das heute früh erfahren haben. Emily, meine Schwester, hat mich angerufen«, sagte er. »Ausgerechnet Helena. Und Emily musste sie auch noch finden. Sonja hat gleich unsern Sohn zu ihren Eltern gebracht, er soll nicht mitbekommen, wie sehr uns das alles mitnimmt.«
»Das kann ich mir vorstellen«, pflichtete ihm Durant bei. »Wir müssen Ihnen dennoch ein paar Fragen stellen. Sind Sie bereit?«
»Bitte.«
»Wie gut kannten Sie Frau Malkow?«
»Soll das eine Frage sein? Du meine Güte,
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