Kaltes Blut
haben weltweit zweiundzwanzig Standorte, wovon Frankfurt neben Vancouver aber der größte ist.«
»Trotzdem, mir wäre diese Arbeit zu trocken. Ich bin lieber mit Leuten zusammen, auch wenn manche Zusammentreffen alles andere als erfreulich sind. Aber Verbrecher haben das gewisse Etwas. Wussten Sie zum Beispiel, dass es nicht einen einzigen Fall gibt, wo das Motiv exakt mit dem eines anderen Verbrechers übereinstimmt? Und die Facetten menschlicher Abgründe, in die wirbisweilen blicken müssen, sind so zahlreich, darüber könnten Frau Durant und ich ganze Bücher schreiben. Wir hatten es schon mit Verbrechern zu tun, die haben uns so lange an der Nase herumgeführt, dass wir fast glaubten, verzweifeln zu müssen. Wie jetzt gerade. Da spielt einer mit uns, aber nur er kennt die Spielregeln. Er mordet, und uns fehlt das Motiv. Aber wir haben einen Profiler zu Rate gezogen, der uns einige sehr aufschlussreiche Dinge über unseren Mann sagen konnte. Und jetzt sind wir ihm sooo dicht auf den Fersen«, erklärte er und hielt Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand nur wenige Millimeter auseinander. »Lange kann er sich nicht mehr vor uns verstecken, er ist nämlich ein erbärmlicher Feigling, der sein Leben einfach nicht auf die Reihe kriegt. Aber was erzähle ich Ihnen da«, sagte er weiter und warf Durant einen kurzen Blick zu und grinste dabei, ohne dass die Kaufmanns es sehen konnten. Sie hatte die beiden die ganze Zeit über beobachtet, aber in seinem Gesicht keine auffällige Reaktion feststellen können. Kein Zucken der Mundwinkel, keine nervöse Bewegung mit den Händen, kein Widerspruch. Bis zu diesem Moment.
»Wer sagt Ihnen denn, dass dieser Wahnsinnige ein Feigling ist? Könnte es nicht auch jemand sein, der einfach nur verrückt ist?«
»Damit wollen sich die meisten herausreden. Man kommt in die Psychiatrie und wird, wenn die Gutachter einem wohlgesonnen sind, nach ein paar Jahren wieder auf die Menschheit losgelassen. Ich halte nicht viel von diesem Quatsch. Zwar ist Mord nicht gleich Mord, manche Morde werden im Affekt begangen, weil jemand zum Beispiel bis aufs Blut gereizt wurde und die Kontrolle über sich verloren hat, andere wieder sind so genau geplant, dass mir dazu einfach nur die Begriffe kaltblütig, gewissenlos, herzlos, menschenverachtend einfallen. Was soll’s. Interessieren Sie sich auch für Klimaforschung?«, fragte Hellmer Sonja Kaufmann.
»Weniger. Ich lese lieber Romane. Außerdem kann ich am Klima eh nichts ändern.«
»Schatz, ich hab dir schon einmal gesagt, wenn jeder so denkt,wird diese Erde bald unbewohnbar sein. Jeder muss sein Scherflein dazu beitragen. Auch du.«
»Ich werde mich bessern«, erwiderte sie und tätschelte seine Hand. »Aber weshalb sind Sie eigentlich gekommen? Um uns mitzuteilen, dass Helena tot ist?«
»Unter anderem. Wir haben heute Nacht mit Herrn Malkow gesprochen und hätten einige Fragen seine Person betreffend. Ich weiß, Sie sind gut mit ihm befreundet, aber Hand aufs Herz, würden Sie ihm zutrauen, seine Frau getötet zu haben?«
Achim Kaufmann schüttelte den Kopf, schien sich jedoch unschlüssig, was er antworten sollte. »Eigentlich nicht, aber wer lässt sich schon gern in die Seele blicken?«
»Stimmt. Vor allem, wenn man sich vorstellt, dass seine Frau ein Doppelleben führte, und das über viele Jahre hinweg.«
»Wollen Sie damit andeuten, dass Werner …« Kaufmann sah seine Frau an, dann Durant. Er ging jedoch nicht auf das Wort Doppelleben ein, als hätte er es nicht gehört. »Um ehrlich zu sein, er hat sich in letzter Zeit ein paarmal schon recht merkwürdig benommen. Weißt du noch, Schatz, auf dem Fest bei euch, als er sich mit Helena so in die Wolle gekriegt hat?«
»Nein, ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
»Doch, die beiden haben sich fürchterlich gestritten, sind sogar extra ins Büro gegangen, wo sie niemand hören konnte. Und dann ist Werner einfach abgehauen.«
»Kann sein, aber …«
»Es ist auch unwichtig. Jedes noch so glückliche Paar streitet ab und zu. Sogar wir. Aber wir sind uns nie lange böse.«
»Sie würden Herrn Malkow also zutrauen, seine Frau getötet zu haben, wenn ich Sie recht verstehe?«
»Zutrauen! Mein Gott, heutzutage weiß man doch gar nicht mehr, wem man überhaupt noch trauen kann. Die Menschen sind degeneriert. Es gibt kaum noch Familien wie vor fünfzig oder hundert Jahren, alle rennen nur noch dem Geld hinterher, aber wir sind selbst dran schuld. Die Werte sind doch schon lange
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