Kaltes Blut
Helena, Werner und wir«, sagte Achim Kaufmann kopfschüttelnd angesichts der in seinen Augen bescheuerten Frage, »wir waren sehr gut miteinander befreundet. Werner und ich waren ständig unterwegs, und wenn es nur auf ein Bier war. Aber nachdem das mit Helena passiert ist, glaube ich inzwischen auch fest daran, dass es jemand aus dem Reitclub ist. Ich habe einfach keine andere Erklärung mehr.«
»Und Sie, Frau Kaufmann, was glauben Sie?«
»Ich bin der gleichen Meinung. Aber mir fällt niemand ein.«
»Wir treten auch auf der Stelle. Er hinterlässt keine Spuren. Und die Presse sitzt uns schon mächtig im Nacken. Wann haben Sie Frau Malkow denn das letzte Mal gesehen?«
»Gestern Mittag auf dem Hof. Am Abend hat mich dann Emily angerufen, sie klang da schon sehr besorgt, aber ich habe mir weiter keine Gedanken gemacht. Ich war wohl zu müde.«
»Sie sind früh zu Bett gegangen?«, fragte Hellmer.
»Ich bin kein Nachtmensch, dafür stehe ich immer sehr früh auf. Mein Mann …«
»Das kenne ich. Ich brauche normalerweise auch mindestensacht Stunden Schlaf«, log Hellmer dreist, »ansonsten bin ich unausstehlich, behauptet meine Frau zumindest, und Frau Durant kann das nur bestätigen. Ist das bei Ihnen auch so?«, fragte er Kaufmann.
»Es kommt drauf an. Manchmal komme ich mit wenig Schlaf aus, manchmal könnte ich ganze Tage und Nächte durchschlafen. Aber leider lässt meine Arbeit das nicht zu. Dr. Gerber sagt, mein Biorhythmus sei völlig durcheinander. Sei’s drum …«
Hellmer war aufgestanden und zur Bücherwand gegangen, in der viele Romane, aber auch Sachbücher, darunter einige über Klimaforschung und Klimaveränderungen standen. Alles in Reih und Glied, die Buchrücken schlossen millimetergenau mit den Regalen ab, alles hatte seinen Platz. Wahrscheinlich hat er sogar eine Kartei angelegt, dachte Hellmer.
»Haben Sie die alle gelesen? Das sind doch ein paar hundert Bücher.«
»Es sind genau zweitausendeinhundertsechzehn«, erwiderte Achim Kaufmann stolz. »Und die meisten davon habe ich tatsächlich gelesen. Ich sage mir, man hat nur ein Leben, in dem man sich bilden kann. Und Bücher sind mit das Wertvollste, was es gibt.«
»In meinem Bücherschrank sieht’s dagegen aus wie Hund. Meine Frau regt sich immer furchtbar auf, wenn ich ein Buch einfach so rumliegen lasse.« Hellmer fand Gefallen am Schwindeln, er hatte zuletzt vor zwei oder drei Jahren ein Buch in die Hand genommen und es nach ein paar Seiten wieder zurückgestellt. Er machte lieber den Fernseher an, anstatt sich durch unendlich viele Seiten zu quälen. »Lesen Sie auch so viel?«, fragte er Sonja Kaufmann.
»Nicht ganz so viel wie mein Mann, aber schon …«
»Und was am liebsten? Krimis oder …«
»Querbeet. Was mir so in die Finger kommt.«
»Und diese ganzen Fachbücher! Das wäre mir ehrlich gesagt zu schwer. Was machen Sie eigentlich genau als Klimaforscher? Ich kann mir recht wenig darunter vorstellen.«
»Ich befasse mich mit allem, was das Klima betrifft. Dazu zählt auch die Erdgeschichte mit ihren Klimaveränderungen, Eiszeiten, Wärmeperioden und so weiter. Und natürlich steht im Mittelpunkt meiner Arbeit die von den Menschen herbeigeführte Klimaveränderung, die sich anhand zahlreicher Statistiken und Erhebungen klar bestimmen lässt.«
»Haben Sie promoviert?«, fragte Hellmer weiter.
Kaufmann lächelte und antwortete: »Noch nicht, aber ich arbeite daran. Ich hatte in den vergangenen Jahren einfach keine Zeit, meine Doktorarbeit zu Ende zu schreiben. Doch nächstes Jahr wird es wohl so weit sein.«
»Aber ist das auf Dauer nicht ein bisschen langweilig, sich ständig mit irgendwelchen Statistiken herumquälen zu müssen? Ich stelle mir vor, Tag für Tag im Büro zu hocken, irgendwelche Daten in den Computer einzugeben und zu vergleichen …«
»Sie haben eine völlig falsche Vorstellung von meiner Arbeit«, wurde er von Kaufmann unterbrochen. »Es ist sogar hochinteressant. Ich bin sehr viel unterwegs, Seminare, Symposien, Kongresse, Klimagipfel und so weiter. Manchmal ist es natürlich auch pure Routine, aber das ist nicht die Regel. Außerdem sind wir ein Superteam. Und meine Mitarbeiter sind alles hervorragend ausgebildete Fachkräfte.«
»Oh, dann sind Sie also der Boss. Na ja, unser Boss ist auch ganz in Ordnung, nur manchmal hat er seine Macken.«
»Ich bin nicht der Boss«, wurde Hellmer von Kaufmann berichtigt. »Wir sind ein internationales Forschungsunternehmen mit Sitz in Kanada. Wir
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