Kaltes Fieber - Ein Lucas-Davenport-Roman
Personalakten anzuschauen.
Nach einer Weile sagte Sloan: »Neben Hart, O’Donnell und Sennet sollten wir uns auch Grant und Beloit näher ansehen. Aus Gründen, die ein wenig dumm klingen.«
»Wie dumm?«
»Sie erfreuen sich beide großer Wertschätzung bei ihren Patienten. Ich nehme an, das kommt daher, dass sie sich mit ihnen identifizieren.«
»Hmm. Beloit kannst du streichen. Der Anrufer neulich nachts war eindeutig ein Mann. Unabhängig von der Stimme, er redete, wie ein Mann es tun würde. Wie einer aus der untersten Schublade, wie man es von Charlie Pope erwarten würde. Und hat Biggie, als er uns die Sache mit dem Jagdschein zuschrie, nicht er und ihn oder so was gebrüllt?«
Sloan dachte einen Moment nach. »Ich glaube, er hat ›unser Junge‹ gesagt.«
»Richtig, so war’s«, bestätigte Lucas. »›Unser Junge‹. Meinst du, er könnte das gesagt haben, um uns von einer Frau abzulenken?«
»Es ist möglich, aber … nicht wahrscheinlich.«
»Gleichzeitig mit ›unser Junge‹ hat er die Sache mit dem Jagdschein ausgespuckt …«
»Richtig. Okay, also streichen wir Beloit.«
»Zu neunzig Prozent«, sagte Lucas.
Kurz darauf sagte Sloan: »Cale hatte Recht mit seinem Hinweis auf das Kreuz, das da vielleicht errichtet wird. Er ist der Hauptkandidat für die Kreuzigung.«
»Oder wir, was davon abhängt, wo wir bei der ›Reise nach Jerusalem‹ gerade sind, wenn die Musik abbricht«, sagte Lucas.
Lucas setzte Sloan am Südrand der Stadt bei einem Streifenwagen der Polizei von Minneapolis ab, fuhr weiter nach St. Paul und lieh sich in einem Fachgeschäft einen Rekorder aus, der für die Spezialbänder geeignet war und mit seinem Fernsehgerät zu Hause korrespondierte; machte einen langen Spaziergang zu einem Baker’s Square Restaurant am Ford Parkway und aß zu Abend; ging kurz in einen Buchladen mit Sonderangeboten; schaute in die Auslage eines Juwelierladens, dachte an ein Willkommensgeschenk für Weather bei ihrer Rückkehr; und schlenderte nach Hause, die Hände in der Tasche, einen Raubdruck von Ernest Hemingways Gedichten unter dem Arm. Und grübelte unablässig darüber nach, wie er das Puzzle der neuen Informationen zusammensetzen könnte.
Er kam sich vor wie ein Eichhörnchen, das immer wieder auf Nüsse stößt, die es nicht knacken kann.
Da war ein Mann, der gezielt eine falsche DNA-Spur legte, wohl wissend, dass er die Cops damit in die Irre führte. Wer konnte sich so etwas ausdenken? Je mehr er darüber nachdachte, umso klarer wurde ihm, dass das … beinahe jeder konnte.
Ein Arzt kam natürlich vorrangig in Frage - und Beloit war Ärztin, aber leider war sie zweifellos eine Frau, und der Anrufer war ebenso zweifellos ein Mann gewesen. Und jeder Fachmann, jede Fachfrau in St. John’s wusste von der Bedeutung der DNA-Analyse bei der Aufklärung von Schwerverbrechen, da die DNA-Bank des Staates Minnesota erpicht darauf war, von jedem verurteilten Sexualstraftäter eine DNA-Probe zu bekommen. Außerdem wusste bestimmt die Hälfte der Fernsehzuschauer im Land über die DNA-Sache Bescheid, nachdem serienweise Filme mit der Darstellung polizeilicher Ermittlungen an Tatorten gesendet worden waren. Verdammt, selbst George Bush wusste wahrscheinlich davon …
Diese Überlegungen führten also zu nichts.
Der Killer benutzte - er hatte es jedenfalls versucht - Ruffe Ignace dazu, die Ermittlungen in die falsche Richtung zu lenken. Serienmörder nahmen gelegentlich Kontakt zu den Medien oder zur Polizei auf, das war nichts Neues, aber sie machten das meistens aus eitler Ruhmsucht oder mit dem Ziel, sich zu stellen. Dieser Killer schien ebenfalls nach Ruhm zu streben, aber er versuchte vor allem, Ignace auf manipulative Weise auszunützen; vielleicht spielte beides eine Rolle, aber die Absicht zur Manipulation war zweifellos gegeben.
Lucas dachte an das Amphetaminlabor. Könnte der Killer Charlie Pope dort getroffen haben? Es war natürlich ein Treffpunkt von Kriminellen … Aber er brauchte das nicht zwangsläufig. In St. John’s hatte er die Gelegenheit, genügend Verbrecher für seine Absichten anzutreffen. Die
Klinik spielte zweifellos eine wichtige Rolle in der ganzen Sache …
Und dann war da die entscheidende Frage:
Wie hatten die »Großen Drei« vom Mord an Peterson erfahren?
Wenn er diese Nuss knacken könnte …
Aber es war ja auch die Frage, wie sie von den Morden an Rice und Larson erfahren hatten …
Zurück im Haus blätterte er die Personalakten durch,
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