Kaltes Fieber - Ein Lucas-Davenport-Roman
hindeutete - die DNA, seine Vergangenheit, die Anrufe bei Ignace. Wir hatten sogar eine Zeugin aufgetan, die meinte, sie hätte ihn gesehen, aber wir wissen inzwischen, dass das nicht stimmen kann.«
»Ja, sicher. Aber es sah nicht so aus, als ob der Killer versucht hätte, unsere Aufmerksamkeit auf Charlie zu lenken. Der Hinweis auf Charlie kam von diesem Mr. Fox, dem Bewährungshelfer …«
»Das war kein Zufall«, sagte Lucas. »Ein Mann, der im Verdacht stand, Frauen vergewaltigt und ermordet zu haben und im Knast saß und psychologisch behandelt und schließlich entlassen wurde, verschwindet urplötzlich, und ein Sexualmörder treibt von da an sein Unwesen. Welcher Bewährungshelfer
würde sich da nicht an die Polizei wenden? Für uns gab es keinen Zweifel an Charlie Popes Täterschaft, höchstens bei Elle, bis diese Angler Charlies Hand aus dem Wasser gezogen haben.«
Lucas schwieg einen Moment und fuhr dann fort: »Und jetzt haben wir die gleiche Situation. Ein Mann verschwindet. Beweise für seine Täterschaft finden sich in seinem Eisschrank und seinem Wagen - Charlie Popes gefrorenes Blut und Carlita Petersons nicht gefrorenes Blut. Aber der Mann ist wie vom Erdboden verschluckt. Und Elle sagt, sein Profil passe nicht ins Bild.«
»Du meinst, man lenkt uns auf eine falsche Spur?«
»Ich bin zu neunzig Prozent davon überzeugt«, sagte Lucas.
»Neunzig Prozent …«
»Hör zu, ich denke Folgendes: Die Sache mit den Pistolen war ein Fehler des Killers. Er ist irgendwo da draußen und hat die Waffen noch bei sich.«
»Und wer ist es?«
»Jemand vom Personal in St. John’s«, antwortete Lucas. »Vom medizinischen Personal. Jemand, der Zugang zu Pope und zu O’Donnell hatte. Überleg doch mal - dieser Jemand hat O’Donnells Koboldstimme aus dem Weihnachtsspiel schon eingesetzt, als wir noch nach Pope gesucht haben.«
»Mein Gott, das ist ja unglaublich«, sagte Sloan. »Der Killer hat uns also die ganze Zeit, von Anfang an, etwas vorgetäuscht, das wir kaum jemals rausfinden konnten.«
»Ja.«
Sloan sagte: »Aber …«
»Aber was?«
»Aber das trifft nur zu, wenn O’Donnell wirklich nicht der Killer ist. Stellen wir die Suche nach ihm ein?«
»Ich wette mit dir um hundert Dollar, dass O’Donnell nicht der Killer ist«, sagte Lucas. »Wir suchen weiter nach
ihm - aber bei der Belegschaft von St. John’s fangen wir wieder bei null an. Wir konzentrieren unsere Kräfte und nehmen alle Lebensläufe der Angestellten noch mal genau unter die Lupe. Irgendwas muss dabei rauskommen.«
»Der Mann aus Kalifornien, wie?«
»Ja. Der Mann aus Kalifornien.«
Lucas selbst beschäftigte sich mit der Akte von Dr. Cale, während die Cops des Koordinierungsbüros die anderen Mitarbeiter der forensischen Klinik, deren Unterlagen verfügbar waren, überprüften. Nachdem Lucas überzeugt war, dass Cale als Täter nicht in Frage kam - er hatte ihn nie ernsthaft verdächtigt, Cale war einfach zu alt für einen Serienmörder -, fuhr er nach St. John’s, und er und Cale verbrachten zwei Stunden damit, im Personalbüro die Akten aller Angestellten zu fotokopieren, die auch nur indirekt Kontakte zu den »Großen Drei« gehabt haben könnten.
Es waren insgesamt achtzig Akten. Lucas lud sie auf den Beifahrersitz des Porsche und fuhr damit zurück nach Minneapolis.
»Okay«, instruierte er die Einsatzgruppe, »das wird eine mühsame Arbeit, aber ich will jede noch so kleine Abweichung von der Norm erfahren. Egal, wie verrückt so eine Anomalie Ihnen auch vorkommt, ich will sie wissen.«
Sie riefen bei Referenzpersonen an, die in den Akten genannt waren, bei den Ausstellern von Empfehlungsschreiben, bei Ärzten, bei Polizeistationen der Orte, in denen die Mitarbeiter der Klinik einmal gewohnt hatten, bei Highschools, Colleges und Psychiatern. Sie stießen auf geringfügige Vergehen, auf Alkoholismus, auf Drogenmissbrauch, auf Fälschungen in schulischen Zeugnissen, auf Freunde und Feinde.
Ein Mitarbeiter hatte unter »Körperbehinderungen« und »Besondere Kennzeichen« jeweils »keine« eingetragen, obwohl er bei einem Verkehrsunfall einen Fuß verloren hatte. Eine Mitarbeiterin hatte unter »wichtige ärztliche Behandlungen« und »Operationen« jeweils »keine« vermerkt, obwohl sie eine Abtreibung hatte vornehmen lassen. Und sie stießen auf einen Mitarbeiter, der internationale Berühmtheit auf dem Gebiet des Baus von Kastendrachen erlangt hatte.
Ein Mann namens Logan, der in der Wäscherei der
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