Kaltes Fieber - Ein Lucas-Davenport-Roman
hier ist kein Film, sondern Realität.«
»Wie lange wird es dauern?«, fragte Mrs. Rice.
Lucas schüttelte erneut den Kopf. »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Es hängt davon ab, was alles getan werden muss. Es wäre sicher am besten, wenn Sie nach Hause fahren und sich ein wenig ausruhen würden. Der Sheriff wird Sie anrufen, ehe die Leichen weggebracht werden. Dann können Sie wieder herkommen.«
»Ich bleibe hier«, erklärte sie.
Sloan bemühte sich um sein verständnisvollstes Lächeln. »Wir verstehen das«, sagte er. »Wenden Sie sich an den Sheriff, falls Sie etwas brauchen … Wären Sie bereit, uns einige Fragen zu Ihrem Sohn zu beantworten?«
»Okay«, antwortete sie. Sie schniefte. »Wir konnten uns denken, dass Sie Fragen an uns haben.«
Sie stellten die üblichen Routinefragen zu Rice’ Biografie: Hatte er Feinde? Hatte er in letzter Zeit Streit mit jemandem
gehabt? Hatte er Schulden bei jemandem, die er nicht zurückzahlen konnte? Hatte er Verhältnisse mit Frauen? Gab es womöglich eifersüchtige Ehemänner? Wo verbrachte er seine Abende und Nächte, welche Vergnügungen bevorzugte er?
Lucas stellte die härteste Frage: »Mrs. Rice, hatte Ihr Sohn, soweit Sie wissen, homosexuelle Freunde oder Bekanntschaften?«
Sie richtete den Blick ungläubig auf Sloan, dann wieder auf Lucas. »Sind Sie denn total … Mein Sohn war verheiratet! Er hat sich nicht mit Homosexuellen rumgetrieben!« Tränen traten in ihre Augen.
»Das ist nur eine Routinefrage«, erklärte Lucas. »Wir müssen sie einfach stellen. Bei diesem Verbrechen war sehr viel Gewalt im Spiel, was für Morde im Homosexuellenmilieu charakteristisch sein kann.«
Sie ahnte, worauf er hinauswollte. »Mein Junge war kein Homo!«, fauchte sie. Die beiden anderen Frauen nickten bestätigend. »Er war verheiratet, er wurde Witwer, und eines Tages hätte er wieder geheiratet. Er hatte sich nach Shellys Tod nur noch nicht wieder dazu aufgerafft, nach einer anderen Frau Ausschau zu halten. Er war jedenfalls kein Schwuler!«
»Aber hatte er Schwule im Bekanntenkreis?« Lucas ließ nicht locker. »Jemand, der Fantasievorstellungen über ihn entwickelt haben könnte? Ihr Sohn war schließlich ein gut aussehender Mann.«
Laurina sah Gloria an, dann schüttelten beide gleichzeitig den Kopf. »Ich glaube nicht, dass er irgendwelche Schwulen gekannt hat«, sagte Laurina. »Er hätte das bestimmt mal erwähnt. Wir haben uns einmal in der Woche zum Abendessen getroffen, und wir haben über alles geredet.«
»Okay«, sagte Lucas.
Sie redeten noch ein paar Minuten über allgemeine Dinge, dann ließen Sloan und Lucas die drei Ladys in ihrem Wagen zurück und gingen wieder ins Haus.
Die nächsten vier Stunden vergingen mit der Abwicklung der vorgeschriebenen kriminaltechnischen Untersuchungen am Tatort eines Mordes: Die Spurenermittler arbeiteten sich Schritt für Schritt durch die Räume, der Leichenbeschauer kam und ging wieder, ließ einen Assistenten und zwei Männer zum Abtransport der Leichen zurück. Ein Abgeordneter des Parlaments von Minnesota, der zehn Meilen entfernt seinen Wohnsitz hatte, tauchte auf und redete mit dem Sheriff, betonte die Notwendigkeit der Todesstrafe und wollte einen Blick ins Haus werfen, akzeptierte aber das schroffe »Nein!« und machte sich wieder auf den Heimweg.
»Arschloch!«, knurrte Nordwall hinter ihm her.
Nachdem die Spurenermittler bestätigt hatten, dass die Morde mit höchster Wahrscheinlichkeit am Fundort der Leichen begangen worden waren, machten sich Lucas und Sloan daran, die anderen Räume des Hauses nach privaten Dingen der Bewohner zu durchsuchen. Sie schauten sich Rechnungen und neuere Fotos an und sammelten sie ein, sie überprüften den fünf Jahre alten Dell-Computer auf E-Mails, und hin und wieder machten sie kurze Pausen und tranken ein Diet Coke. Sie wussten nicht, nach was genau sie suchen sollten, aber das war durchaus in Ordnung und gehörte zur Routine; Bilder und bestimmte Eindrücke setzten sich im Gedächtnis fest und konnten später abgerufen werden …
»Er hat eine Visa-Karte«, sagte Sloan, als sie das Schlafzimmer im Obergeschoss durchsuchten. »Wir müssen die Rechnungen suchen und rausfinden, wo er in letzter Zeit was gekauft hat.«
»Ich habe mir seine Monatsabrechnung von der Exxon-Tankstelle auf dem Küchentisch angesehen«, sagte Lucas.
Er durchsuchte gerade Rice’ Brieftasche. »Rice hat in letzter Zeit offensichtlich keine weiten Fahrten gemacht. Eine Tankfüllung
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