Kaltes Fieber - Ein Lucas-Davenport-Roman
eingepackt werden musste. Er brauchte nichts mehr von seinem Besitz. Er nahm die Aktentasche, jetzt sehr konzentriert, bereit zu dem, was er vorhatte. Bereit, zusammen mit den Göttern unten im Flur im Armageddon unterzugehen …
Und dann würde endlich alles vorbei sein. Kein Elend mehr; keine Einsamkeit; und keine ätzenden Wogen mehr, die durch sein Gehirn brandeten und ihn nachts zum Heulen brachten.
Er ging mit der Aktentasche zum Wagen, warf sie hinein, griff zu den Wagenschlüsseln, stieg ein. Und dann plötzlich: Scheiße! Die Münze.
Er hastete zurück in die Wohnung, ins Schlafzimmer, öffnete die oberste Schublade der Kommode, kramte unter einigen Socken herum, fand das Plastiketui. Ein Doppeladler - eine goldene 20-Dollar-Münze - aus dem Jahr 1866 steckte darin. Er hatte 1432 Dollar dafür bezahlt, aber dieselbe Münze war unter günstigeren Konditionen zwischen 25000 und 30000 Dollar wert.
Justus Smith war ein besessener Münzensammler.
Er drehte sich um, wollte wieder zum Auto laufen, als das Bumm-Bumm-Bumm an der Wand einsetzte. Und, ganz schwach zu hören, die Stimme einer Frau. Es sah zur Tür, dann auf das Stethoskop auf dem Bett. Keine Zeit mehr für das, keine Zeit mehr … Aber er ging zum Bett und steckte die Stöpsel in die Ohren.
Millie Lincoln trieb es schon wieder mit diesem Kerl. Der kribbelnde Adrenalinstoß setzte sofort wieder ein, wie immer, aber diesmal war da mehr als nur dieses Lustgefühl. Diesmal kamen Wut und Beklemmung hinzu - Armageddon stand bevor. Er hatte diese Millie Lincoln nie gesehen,
nicht gesichert jedenfalls, hatte sich ihr nicht genähert, denn er hatte zu viel zu verlieren.
Jetzt aber gab es nichts mehr zu verlieren. Millie Lincoln setzte gerade zum Höhepunkt an, als Grant das Stethoskop aus den Ohren riss und aus der Wohnungstür stürmte, ohne sie hinter sich ins Schloss zu werfen.
Er kannte Millie nicht, aber er wusste, wo sie wohnte.
Mihovil war gerade vom Bett gestiegen, um ins Badezimmer zu gehen, als Millie von einem explosionsartigen Knall aufgeschreckt wurde, irgendwo in der Nähe. Sie rief: »Heh, was war das?«
Noch ehe Mihovil antworten konnte, dröhnte ein zweites lautes Bumm! durch die Wohnung, erschütterte die Einrichtung. Millie hüpfte aus dem Bett, griff nach ihrer Unterhose, und ein drittes Bumm! erschreckte sie, begleitet von einem splitternden Geräusch in nächster Nähe. Mihovil schrie: »Was zum Teufel ist das?«, und schon krachte es wieder, und Millie streifte ihr Top über den Kopf und lief zur Schlafzimmertür.
Mihovil stand nackt im Flur, starrte auf die Wohnungstür. Wieder ein Bumm!, und Holzsplitter flogen vom Türrahmen weg, und mit dem nächsten Bumm! sprang die Tür auf. Ein Mann kam hereingestürzt; er trug ein weißes, kurzärmliges Hemd und eine braune Hose und braune Mokassins, und im ersten Moment hätte man von ihm den Eindruck eines normalen Menschen gewinnen können, wenn da nicht dieser irre Ausdruck in seinen Augen gewesen wäre. Sein brennender Blick fiel auf Mihovil, dann auf Millie, und er keuchte: »Hallo, Millie.«
Millie schrie: »Wer sind Sie? Verschwinden Sie …« Das Gesicht des Mannes war zu einer zähnefletschenden Maske verzogen, zum Gesicht eines wutentbrannten Löwen, und er hob die Hand, und ein Rasiermesser blitzte auf, ein Rasiermesser
wie das, das Mihovil von seinem Großvater geerbt hatte, und er ging wie ein Schwertkämpfer auf Mihovil los, ließ das Messer durch die Luft zischen, parierte mit der anderen Hand Mihovils Abwehrschläge.
Millie schrie jetzt, schrie und schrie, dachte nicht daran, den Notruf zu wählen oder ins Schlafzimmer zu fliehen, dachte nur an Mihovil, aus dessen Schulter plötzlich ein Blutstrom schoss, und Mihovil wich, sich heftig wehrend, in die Küche aus, attackiert von dem Fremden, und dort warf Mihovil sich unter den Küchentisch.
Der Mann ließ von ihm ab und ging jetzt auf Millie los. Sie schrie, wich zurück ins Schlafzimmer, versuchte, die Tür zuzuwerfen, aber der Irre ließ sich nicht aufhalten, drang mit dem Rasiermesser auf sie ein, und dann war Mihovil hinter ihm, schwang einen Küchenstuhl.
Der Fremde sah den Schlag kommen, wehrte ihn mit dem Arm ab, aber dann war Mihovil mit dem Stuhl über ihm, und auch er schrie jetzt gellend, und er blutete heftig aus einer schlimmen Wunde an der Schulter, aber er ließ nicht locker, gab den Kampf nicht auf …
Ineinander verschlungen wirbelten die Männer durch die Wohnung, Vasen und Geschirr
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