Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
und kam zu uns ans Büfett. Ich nahm rasch einen Bissen vom Schnitzel, es war köstlich.
»Ich erzähle Frau Valensky gerade von unserer lieben Generaldirektion«, die rote Karin grinste.
»Besser, du denkst nicht zu viel darüber nach. Bevor dir noch einmal was passiert.«
»Schmink dir das ab. Jetzt habe ich erst richtig Lust, ein paar unserer Lämmchen munter zu machen. Immerhin hatte ich drei Wochen Zeit, um neue Kraft zu tanken.«
Grete schüttelte besorgt den Kopf. »Ich weiß nicht, ob das was bringt. Du solltest wirklich vorsichtig sein.«
»Ich war viel zu lange vorsichtig, worauf soll ich warten? Ich bin zweiundfünfzig.«
Ich mischte mich ein und fragte Grete: »Meinen Sie noch immer, dass der Unfall mit der Gewerkschaftsarbeit zu tun haben könnte?«
»Na ja, ich weiß nicht. Andererseits …«
Die rote Karin lachte. »Frau Valensky hat den van der Fluh kennen gelernt. Irgendwie schaut er schon aus wie ein Attentäter, nicht wahr? Massig, aber gut angezogen, wie die von der Mafia.«
Ich grinste auch. »Kennen Sie van der Fluh?«
»Vom Händeschütteln. Jedes Jahr zu Weihnachten ist ein Empfang, zu dem alle Betriebsräte eingeladen werden. So als ob er sonst nicht alles täte, um unsere Arbeit zu unterminieren. Aber da wird dann auf ›Wir-sitzen-ja-alle-in-einem-Boot-und-sind-ein-Team‹ gemacht. Bei den Gehaltsverhandlungen sieht die Sache anders aus. Der braucht sich nicht die Finger schmutzig machen, indem er Cognac-Kisten auf kleine Betriebsrätinnen stürzt.«
Nun strömten auch die anderen Gäste ins Wohnzimmer, ihre Wangen hatten sich von der Winterluft, dem Wein und dem Bier gerötet. »Jetzt wird es kalt«, rief Schorsch mit lauter Stimme.
»Alle herein in die gute Stube«, kommandierte die rote Karin, »ich hab schon Glühwein vorbereitet.«
Wir waren elf und konnten uns im Miniaturwohnzimmer des Miniaturhäuschens kaum umdrehen. Aber als ich gegen Mitternacht nicht mehr ganz nüchtern zu meinem Auto spazierte, hatte ich das Gefühl, ein paar Freundinnen mehr zu haben.
Am Montag lachte van der Fluh von den Wirtschaftsseiten der meisten Zeitungen. Er hatte leicht lachen. Die Gewinne des Kauf-Konzerns würden in diesem Jahr alle Prognosen übertreffen, und das trotz der anhaltenden Konjunkturflaute. Vielleicht sollte ich mir auch Aktien kaufen, dann würde ich mich mit ihm freuen können. Aber womit? Mein Geld investierte ich ins tägliche Leben, in ein recht angenehmes tägliches Leben allerdings, zugegebenermaßen. Mein Kollege vom Lifestyle-Ressort lugte zu mir herüber. »Dein neuer Schwarm?«, feixte er, als er die aufgeschlagenen Zeitungen liegen sah. Das war eben einer der vielen Nachteile eines Großraumbüros. Ungestört war man nie.
»Sonst noch was«, antwortete ich, aber er war schon auf meine Seite herübergekommen und las die Bildunterschriften.
»Hm, Generaldirektor der Kauf-Gruppe. Willst du etwa immer noch eine Story über Supermärkte schreiben?«
Ich ärgerte mich. »Warum über Supermärkte? Über den Superboss der Supermärkte.«
»Klingt ganz interessant, muss ich zugeben. Auch wenn du es offenbar mit den Supermärkten hast.«
Ich hatte meinen Kollegen mit dieser Antwort bloß ruhig stellen wollen, aber nun begann ich zu überlegen: Warum eigentlich nicht? Wäre doch reizvoll, sich anzusehen, wie van der Fluh als Privatmann so lebt. Vielleicht könnte ich dem das Kleingartenhäuschen der roten Karin gegenüberstellen? Ein hübscher Kontrast. Vergiss es, Mira. Klassenkampf und »Magazin«, das war ein Gegensatz schlechthin.
Schon am Nachmittag war der Termin fixiert: Diesen Freitag würde mir van der Fluh eine Stunde, seine Gattin auch länger, zur Verfügung stehen. Ich brannte schon darauf, es der roten Karin zu erzählen.
7.
Für diesen Abend hatte ich ein besonderes Essen geplant. Einfach, weil es Winter wurde und venetische Küche sehr gut zu dieser Jahreszeit passte. Fasan in einer Sauce aus Rotwein, Prosciutto, Leber, Zwiebel und vielem mehr. Dazu Polenta. Zwei Nudelgänge vorneweg. Irgendeine kleine Vorspeise. Kerzen am Tisch, etwas Romantik und viel Wärme. Ich zog einen schwarzen Rollkragenpulli über, nahm meine geliebte Kordsamtjacke vom Haken und sah auf die Uhr. Höchste Zeit. Später als um elf durfte ich heute nicht in die Redaktion kommen, ich musste es schaffen, vorher einkaufen zu gehen. Wenn nicht, konnte ich bestenfalls kochen, was ich in meinem Gefrierschrank fand. Ich stolperte fast über Gismo, verhinderte gerade noch, dass sie mir
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