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Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Notizen gemacht hatte. Ein Missverständnis war das also gewesen. Ich war mir nicht im Klaren darüber, warum ich van der Fluh nicht auf den Überfall und auf den Unfall im Lager angesprochen hatte. Aber vielleicht wollte ich noch etwas in der Hinterhand haben. Für alle Fälle.

6.
    Die rote Karin hatte zu einem Genesungsfest gebeten. Ganz offiziell mit einer Karte, auf der die Karikatur einer mehr oder weniger vollständig in Bandagen gehüllten Frau zu sehen war. In den letzten beiden Wochen hatte ich mich um die Supermarktgeschichte nicht weiter gekümmert. Zufall oder nicht, ich war in dieser Zeit auch nie in der Ultrakauf-Filiale gewesen, sondern hatte entweder bloß schnell im kleinen Supermarkt, der am Weg zwischen Redaktion und Wohnung lag, vorbeigeschaut oder mir die Zeit genommen, am Naschmarkt und in kleinen Feinkostläden einzukaufen. Vor lauter Glück und Idylle mit Oskar hatte ich zwei Kilo zugenommen.
    Es war der erste Samstag im November, und seit langer Zeit schien endlich wieder einmal die Sonne. Hinter mir hupte es genervt. Ich hatte übersehen, dass die Ampel auf Grün gesprungen war. Auf dem Nebensitz hatte ich die Wiener Straßenkarte ausgebreitet. Karin Frastanz’ Fest sollte in völliger Missachtung der Jahreszeit in ihrem Kleingartenhaus stattfinden. Kleingartensiedlungen gehören für mich zu den seltsamsten Attraktionen, die Wien zu bieten hat. Miniaturhäuschen, Miniaturgärten, Miniaturträume, einer neben dem anderen, oft hunderte an einem Fleck.
    In dieser Gegend Wiens kannte ich mich nicht gut aus. Dreimal verfuhr ich mich, dann fand ich die Gasse endlich, von der aus es zu den schmalen Wegen der Kleingartensiedlung ging. Die rote Karin hatte unverschämtes Glück. Der heutige Nachmittag war so schön, dass man sich gerne für ein, zwei Stunden im Freien aufhielt. Parkplätze gab es genug, die meisten der Gärten und Häuschen waren längst winterfest gemacht worden und für ein paar Monate verwaist.
    Vorbei an einer Schar bedrohlich aussehender Gartenzwerge, vorbei an einem Miniaturpalazzo mit schönbrunngelber Farbe und weißem Stuck, vorbei an einigen schon eher baufälligen Holzhäuschen. Noch bevor ich die Hausnummer lesen konnte, hörte ich die rote Karin lachen. Warum sie mich wohl eingeladen hatte? Am Telefon hatte sie nur gemeint, ich sei eben als einzige Kundin zu ihr ins Spital gekommen.
    Ich öffnete die Gartentüre und kramte mein Geschenk, ein Kilo feinste Pralinen, heraus. Karin Frastanz strahlte über das ganze Gesicht. Weder das deutlich sichtbare Cut oberhalb des rechten Auges noch das Bein in Gips, noch die bandagierte Hand vermochten etwas daran zu ändern, dass sie munterer und tatkräftiger wirkte denn je. Grete Berger war auch gekommen, sie begegnete mir mit sichtlich gemischten Gefühlen. Drei weitere Frauen waren mit ihren Männern gekommen, ich konnte mich nur vage erinnern, auch sie im Ultrakauf gesehen zu haben.
    Karin stellte mir zwei Kollegen ihres verstorbenen Mannes vor. Der eine war schon über fünfzig und schmächtig, der andere Mitte zwanzig und breit wie ein Schrank. Sie klopfte dem Älteren auf die Schulter und sagte: »Sie werden es nicht glauben, der ist der Zäheste von allen. Mein Mann war über eins neunzig, aber Schorsch hat immer gleich viel heben können.«
    Schorsch grinste zu Karin hinauf. »Das ist nicht wahr, dich hätte ich nie gehoben, da hat es den Otto gebraucht.« Er wandte sich zu mir: »Das meine ich natürlich im übertragenen Sinn. Wobei ich nicht sagen kann, dass ich den Otto nicht beneidet hab um die Karin. So eine ist selten.«
    Die Fleischerin schien verlegen, jedenfalls wechselte sie das Thema, verwies auf Wein und Bier und das Büfett, das im Wohnzimmer des Gartenhäuschens aufgebaut war. Ich öffnete die gläserne Verandatür und stand schon vor dem kleinen Esstisch. Er bog sich unter seiner Last: tellergroße kalte Schnitzel, dralle Frikadellen, kalter Schweinsbraten, Nudelsalat, Aufstriche, Brot und Gebäck. Vielleicht nicht so nobel wie bei den Events, zu denen ich dienstlich musste, dafür viel appetitanregender. Die rote Karin hinkte zu mir und sagte: »Das mache ich wirklich gerne, solche Sachen. Früher hat es ja mein Mann gemacht, der hat ursprünglich Koch gelernt, aber ich hab viel von ihm gelernt.« Es klang mehr Stolz als Wehmut mit.
    »Ein Prachtexemplar«, sagte ich, legte mir ein Schnitzel auf den Teller.
    »Das Schnitzel oder mein Mann?«, fragte Karin und lachte.
    Grete Berger stand auf der Veranda,

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