Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
imposanten Lederschreibtischsessel, sondern stand und hatte die Hände auf den Schreibtisch gestützt. »Ich habe Sie gewarnt«, sagte er. »Sie haben nicht auf mich gehört. Sie haben meine Anweisungen missachtet, sich als Journalistin des ›Magazins‹ ausgegeben und weiter im Ultrakauf herumgeschnüffelt.«
»Ich bin Journalistin des ›Magazins‹.«
»Vielleicht nicht mehr lange.«
»Ich habe nie vorgegeben, im Auftrag des ›Magazins‹ nachzufragen.«
»In welchem Auftrag denn?«, brüllte er.
Ich zuckte unwillkürlich zurück.
»Sie sollen sehen, ich spiele mit offenen Karten. Zeit, dass Sie etwas über die Geschäftswelt lernen und nicht bloß das tun, was Ihnen gerade in den Sinn kommt. Die nächste Anzeigenserie für Ultrakauf ist auf Eis gelegt worden. Sie war mehr oder weniger fest gebucht, jetzt sagt die Marketingabteilung der Kauf-AG, man überlege für das kommende Jahr eine neue Strategie und werde erst danach entscheiden, ob die Inserate wie bisher geschaltet werden sollen. Wissen Sie, was das heißt? Millionenverluste.«
»Noch ist nichts entschieden. Und: Wie hängt das mit mir zusammen?«
»Sind Sie wirklich so naiv? Also, ich erkläre es Ihnen: Unser Geschäftsführer erhielt den Anruf von Ultrakauf. In einem Nebensatz ließ der Marketingdirektor von Ultrakauf fallen, dass man dieser Journalistin, die noch immer wegen dem Mord an ihrem Regionaldirektor herumfragt, doch ausrichten möge, dass die Sache bei der Polizei in guten Händen sei und dass auch interne Ermittlungen ergeben hätten, dass der Ultrakauf nur zufällig der Tatort war. Der Geschäftsführer informiert den Herausgeber. Ich treffe die beiden zur routinemäßigen Sitzung. Sie fragen mich, wen ich da warum losgeschickt hätte und ob mir nicht bewusst sei, was das für finanzielle Auswirkungen haben kann. Ich muss den Kopf hinhalten für Ihren Alleingang! Ich denke nicht daran, das zu tun! Ich habe unserer Geschäftsführung gesagt, dass Ihr Verhalten Konsequenzen haben wird. Konsequenzen.« Er sah mir ins Gesicht, und mir dämmerte, dass er nicht wusste, was er tun sollte. Er wollte mich nicht feuern. Er hatte aber auch keine Idee, wie er sich sonst an mir ausreichend rächen konnte, um die Geschäftsleitung zufrieden zu stellen. Ein paar Seiten Anzeigen weniger brachten das »Magazin« schon nicht um, hier ging es wohl auch um einen internen Machtkampf in der Chefetage.
»Ich rede mit van der Fluh«, sagte ich und überraschte mich selbst damit. »Immerhin bin ich in seinem Think-Tank, und morgen ist Sitzung. Okay? Reicht das als Wiedergutmachung?«
»Wir brauchen die Inserate zurück. Was dann immer noch übrig bleibt, ist Ihr illoyales Verhalten.«
»Illoyal? Wenn ich einer Story hinterher bin? Vielleicht sogar einer sehr guten Story?«
»Ich rede von den Anweisungen, die ich Ihnen gegeben habe. Und von der Vertrauenskrise zwischen unseren Unternehmen.«
»Ich rede mit van der Fluh, mehr kann ich nicht tun.«
Er nickte, ich ging und überlegte fieberhaft, was ich van der Fluh sagen würde, ohne zu Kreuze zu kriechen. Die Reportage über die Weihnachtsfeier des Kanzlers konnte noch warten. Niemand konnte mir verbieten, einkaufen zu gehen. Meine Strategie konnte es nur sein, am Ende Recht zu haben. Und ohne Job dazustehen? Unsinn, eine handfeste Story würde das »Magazin« mit Sicherheit keinem Konkurrenten überlassen wollen. Zuallererst brauchte ich jemand, der das Fleisch untersuchen konnte. Die Lebensmittelbehörde? Viel zu offiziell. Es gab ein Institut für Lebensmitteltechnik. Nur wäre es besser, dort jemanden zu kennen. Nicht gut, wenn Ultrakauf oder auch die »Magazin«-Geschäftsführung von meinen Aktivitäten erfuhren.
Ich wählte Oskars Nummer. Seine Sekretärin teilte mir mit, er sei »auswärts«. Ob sie mich auch so abweisend behandeln würde, wenn ich mit Oskar ganz offiziell zusammenlebte? Oder gar, wenn wir verheiratet wären? Ich verscheuchte den Gedanken an weiße Brautkleider und weinende Brautmütter. Das war etwas für Komödien, nicht für das reale Leben der Mira Valensky. Ich probierte es bei Oskars Mobiltelefon. Er klang ziemlich gehetzt. »Du hast mich gerade zu einer ungünstigen Zeit erwischt, ich habe in zehn Minuten Verhandlungsbeginn. Was brauchst du? Jemanden, der dir Fleisch analysieren kann? Hast du was Falsches gegessen? Geht es dir nicht gut?«
»Mir geht es ausgezeichnet, es handelt sich um das ›komische‹ Fleisch aus dem Ultrakauf, ich hab dir davon erzählt.«
»Hör
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