Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
misstrauisch.
Vesna verdrehte die Augen. Ich wusste ja, sie hätte Jitka lieber alleine ausgefragt.
»Ich hab mich eben umgehört. Ich möchte meine Schwester finden.«
»Sie sehen aber ganz anders aus als Karin Frastanz, und Sie sind auch viel jünger.«
Jetzt sah ich Vesna triumphierend an. Ich hatte es ihr ja gesagt, ich war zu jung.
»Sie können ausgezeichnet Deutsch«, sagte ich zu Jitka im Versuch, ihr zu schmeicheln und sie abzulenken. Außerdem war es wahr. Sie sprach fast akzentfrei.
»Meine Eltern sind vor sechzehn Jahren gekommen, lange vor dem Krieg. Ich bin die meiste Zeit hier in die Schule gegangen.«
»Karin hat sich bei Heller beschwert.«
Jitka sah mich mürrisch an. »Nein, was haben Sie immer mit diesem Heller? Sie hat sich natürlich bei Feinfurter beschwert, unserem Filialleiter.«
»Wissen Sie, was sie gesagt hat?«
»Feinfurter ist gekommen, und Ihre Schwester hat gesagt, dass mit dem Fleisch was nicht in Ordnung ist. Feinfurter hat es angesehen und gesagt, er findet, das sieht ganz normal aus. Da ist die rote Karin explodiert und hat gesagt, dass er nichts davon versteht. Ich hab mich aus dem Staub gemacht, weil wenn sie schlechte Laune hat, ist es besser, man ist nicht da.«
»Ist es um die Fleischqualität gegangen?«
»Ich weiß nicht. Etwas in die Richtung schon, würde ich sagen.«
»Sie haben kein bisschen gelauscht?«
»Nein, war mir doch egal. Ich hab das Fleisch auch nicht komisch gefunden, es war wie immer. Fleisch eben.«
Vesna redete in Serbokroatisch auf Jitka ein.
Jitka antwortete auf Deutsch: »Es ist, wie ich sage. Es war mir egal, also habe ich auch nicht zugehört.«
Vesna schüttelte empört den Kopf. »Was kann Chefin mit ›komisch‹ gemeint haben? Alt?«
»Keine Ahnung.«
Ich versuchte einen anderen Weg. »Ist das Fleisch anders verpackt gewesen? Ist es vielleicht von anderen Bauern gekommen? Was für eine Art Fleisch war es überhaupt?«
Jitka grinste jetzt überlegen und schüttelte wieder den Kopf. »Das kommt nicht von den Bauern. Es kommt immer mit dem LKW aus dem Zentrallager. Und was für ein Fleisch sie gemeint hat, kann ich nicht ahnen. Es liegt bei uns eine Menge Fleisch herum.«
Wenn ich Karin damals nur besser zugehört hätte. »Aber auf dem abgepackten Fleisch steht der Name eines Bauernhofes.«
»Das Fleisch kommt mit dem Ultrakauf-LKW aus dem Zentrallager für Ostösterreich. Das hab ich in einer Schulung gelernt. Außerdem steht der LKW ja immer wieder da, und ich helfe beim Ausladen. Das Fleisch ist in große Kisten verpackt, in diesen Kisten sind dann die einzelnen Stücke in Vakuum eingeschweißt. Rostbraten, Schnitzelfleisch, Suppenfleisch. Wir zerkleinern es. Ein Teil wird abgepackt in Styroporschalen, und einen anderen Teil verkaufen wir so, je nach dem, wie viel eine Kundin will. Auf die abgepackten Stücke kommen Aufkleber mit dem Bauernhof. Die können wir mit dem Computer ausdrucken.«
»Und woher wissen Sie, welches Fleisch von welchem Bauern kommt?«
»Ich möchte schon wissen, was das mit dem Verschwinden von Karin zu tun hat.«
»Sie will eben jeder Spur nachgehen«, mischte sich Vesna ungeduldig drein. »Wie also geht das mit den Aufklebern?«
»Auf den Kisten ist ein Code, da fährt man mit so einem Barcodegerät drüber und hat die Unterlagen im Computer. Von dort druckt man dann, nachdem das Fleisch gewogen worden ist, die Aufkleber aus.«
»Aber das Fleisch vom Huberbauern sieht doch gleich aus wie das Fleisch vom Hanslbauern – vorausgesetzt, es handelt sich um dieselben Stücke.«
»Eh. Ist ja auch völlig egal, welcher Bauer auf welchem Stück Fleisch steht. Jedenfalls kommt das Fleisch von Bauern. Auch wenn das keine kleinen Bauern sind, wenn man sich die Mengen anschaut, die die meisten liefern. Jedenfalls muss das Gewicht passen. Bei uns wird alles über den Computer kontrolliert. Das Gewicht, das auf den ausgedruckten Aufklebern steht, wird automatisch zusammengezählt und muss dann mit dem Gesamtgewicht vom Fleisch, das von einem Bauern geliefert wurde, übereinstimmen. Zumindest ungefähr, weil natürlich gibt es immer wieder Abfall. Dazu gerechnet wird dann noch das an der Theke verkaufte Fleisch. Nur damit wir uns ja nichts abzweigen können.« Sie sah auf die Uhr. »Aber jetzt muss ich gehen. Viel Glück. Ich hab Karin Frastanz immer gut leiden können. War sehr okay als Chefin.«
»War?«, fragte ich.
»Na ja … weil sie jetzt doch schon lange verschwunden ist.« Jitka zog ihren grünen
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