Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
Parka enger um sich und eilte über den Parkplatz davon.
»Ich habe schon Schluss«, sagte Vesna, »ich brauche viel Warmes zu trinken. Was kann die rote Karin mit ›komischem Fleisch‹ gemeint haben?«
»Bei mir hat sie sich über schlechtere Fleischqualität beklagt, und dass niemand etwas dagegen unternimmt. Aber wir haben nur kurz darüber gesprochen, damals war anderes wichtiger. Wenn es stimmt, was Jitka sagt, dann weiß Feinfurter davon.«
»Der wird nichts sagen. Außerdem ist er momentan nicht da. Weiß ich, weil es zwei Kisten mit gefrorenen Äpfeln gegeben hat. Die von dem Obst und Gemüse wollen die Ware zurückschicken, aber seine Stellvertreterin traut sich nicht entscheiden. Die will alles richtig machen, damit sie auch einmal Chefin wird.« Vesna verzog den Mund.
»Was würdest du unter ›komischem Fleisch‹ verstehen?«, fragte ich meinen Kollegen am Nachbarschreibtisch. Er sah auf und runzelte die Stirn.
»Eine Erotikshow mit Clowns?«
Ich seufzte.
»Nackte Ulknudeln?«
»Ich rede von Fleischstücken, Beefsteak, Tafelspitz, so etwas.«
»Was soll daran komisch sein?«
»Nicht witzig, sondern komisch im Sinn von seltsam.«
»Was soll an einem Tafelspitz schon seltsam sein?«
Ich gab es auf und ging, um Droch von seinem Zimmer abzuholen. Heute hatten wir einen Termin, der unsere beiden Ressorts betraf. Der Kanzler hatte zu einer Weihnachtsfeier geladen. Ich würde darüber den üblichen Klatschbericht liefern. Droch, der derartige Anlässe, wo immer es ging, vermied, war Ungereimtheiten beim Kauf neuer Abfangjäger auf der Spur und hoffte, den eher unbedarften Verteidigungsminister in Feststimmung zum Plaudern zu bringen. Mir war klar, dass Droch schlechter Laune sein würde. Es war noch schlimmer, als ich mir gedacht hatte. Statt einer Begrüßung knurrte er nur etwas.
»Gut siehst du aus«, sagte ich und meinte es auch so. In seinem dunkelbraunen Wollanzug mit dem dunkelblauen Polo sah Droch aus wie ein Filmschauspieler, der einen erfahrenen, grantigen Redakteur spielte.
Wir fuhren mit seinem Auto, es war größer als meines und auf seine Behinderung abgestimmt. Die Weihnachtsfeier sollte bereits um sechs Uhr beginnen, das war Taktik. Denn so hatte der Kanzler die Chance, in den Hauptnachrichtensendungen des Fernsehens vorzukommen.
»Dämlicher Kerl«, murmelte Droch, und ich wusste nicht genau, ob er den Fahrer vor ihm oder den Kanzler meinte. Da fiel mir etwas ein.
»Haben wir noch etwas Zeit?«
»Jede Zeit der Welt, zu Beginn ist wahrscheinlich nicht einmal der Verteidigungsminister besoffen genug, um mir die richtigen Antworten zu geben. Überhaupt idiotisch, dorthin zu fahren.«
»Ich müsste einen Sprung beim Ultrakauf vorbei.«
»Kannst du nicht morgen Früh einkaufen gehen?« Charmant wie immer.
Ich setzte ein breites Lächeln auf. »Frauensache«, sagte ich und wusste, dass Droch dabei an Tampons, Binden und solchen Kram denken und nicht mehr weiterfragen würde. »Der Ultrakauf in der Mayerlinggasse ist ganz nah.«
»Ausgerechnet der?«
»Da gehe ich regelmäßig einkaufen. Und er liegt fast auf dem Weg.«
Droch murmelte noch einmal etwas, ich hütete mich, mehr zu sagen. Schweigend fuhren wir auf den Parkplatz.
»Kommst du mit?«, fragte ich Droch, wissend, dass er es nicht tun würde.
»Nein, mit Sicherheit nicht. Ich hasse Supermärkte. Ich werde auf dich wie ein Hund im Auto warten.«
»Du kannst auch aussteigen. Das Wetter ist heute ausnahmsweise schön, etwas frische Luft kann dir nicht schaden.« Wider Erwarten nickte er. Ich wuchtete seinen Rollstuhl aus dem Kofferraum, er griff nach seiner Schirmmütze und folgte mir bis fast vor die Drehtüre am Eingang.
»Vielleicht ganz lehrreich, sich die Menschen anzusehen, die einkaufen gehen«, knurrte er.
Ich konnte nicht widerstehen. »Wo glaubst du, kommen deine Semmeln, deine Nudeln, dein Fleisch her?«
»Das ist mir egal.«
Ich klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter und eilte nach drinnen.
Ich fragte erst gar nicht lange, ob der Filialleiter schon zurück war, nickte Grete an der Kasse zu und startete sofort ins Eck des Supermarktes, in dem sein Büro lag. Alle aufmerksamen Kundinnen kannten es. Durch die gläsernen Wände sah ich die beiden zusammengeschobenen Schreibtische und einen Computer. Feinfurter war allein, er beugte sich über ein Blatt Papier. Ich öffnete die Tür, trat ein, schloss sie wieder.
Überrascht schreckte er hoch.
»Sie haben vergessen, der Polizei etwas zu erzählen«,
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