Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
kommen wollte. Das restliche Fleisch stopfte ich, entgegen allen Regeln, vorerst in die beiden Gemüseladen.
14.
Wir standen zu zwölft in der Bar des »Parkhotels Wien«, jeder mit einem Glas Champagner in der Hand. Van der Fluh persönlich hatte uns einander vorgestellt. Bis auf einen prominenten Gastronomiekritiker waren alle Mitglieder des Think-Tanks weiblich und, so wie van der Fluh sie präsentierte, hauptsächlich die Ehefrauen mehr oder weniger bedeutender Männer. Frau Direktor X, die Gattin von Herrn Direktor X, Sie wissen schon, vom Konzern Y. Frau Z, die Gattin von Professor Z, der diese internationale Studie über Lebensmittelmärkte im Zeichen der Globalisierung gemacht hat. Einkaufen galt eben offenbar noch immer überwiegend als Hausfrauensache.
Van der Fluh wurde von einer schlanken Frau in perfekt sitzendem Businesskostüm und von zwei jüngeren Männern begleitet. Die Frau hatte ungefähr mein Alter. Sie hielt sich nahe bei ihm und nickte mit nervtötender Ergebenheit zu allem, was er sagte.
Ich stand etwas abseits, nippte am Champagner, fand wie meist, dass Champagner zu viel Kohlensäure hat, und fragte mich, wann ich mit van der Fluh über die Sache mit den Anzeigen reden sollte. Der Gastronomiekritiker gesellte sich zu mir und stellte sich privat als Liebhaber deftiger Bauerngerichte heraus. Ich redete mit ihm über die venetische Landküche. Ich kannte sie eindeutig besser als er. Unsere Plauderei schleppte sich etwas dahin. Ich hatte den Eindruck, dass die meisten der geladenen Denkerinnen darauf warteten, nun endlich etwas zu essen zu bekommen, und wenn es denn sein musste, über die Zukunft des Einkaufens im Allgemeinen und die von Ultrakauf im Besonderen zu diskutieren. Mir jedenfalls knurrte der Magen.
Ein Ober kam und flüsterte van der Fluhs Begleiterin etwas ins Ohr. Sie flüsterte es van der Fluh weiter. Was wurde hier gespielt? Stille Post?
Van der Fluh räusperte sich und sagte dann mit lauter Stimme: »Meine Damen und Herren, darf ich Sie weiterbitten? Starkoch Martin Guttmayer erwartet uns!«
Tatsächlich stand Martin Guttmayer, den ich von einigen Society-Events kannte und recht sympathisch fand, in blütenweißer Kochtracht inklusive hoher weißer Kochmütze im Eingang zu einem der vielen Extraräume des Hotels.
Wenig später saßen wir an der zu Ehren von Ultrakauf blau-gelb gedeckten Tafel und ließen uns den Dialog von Gänselebercreme und Holunderschaum auf der Zunge zergehen. Schon wegen des Menüs hatte es sich gelohnt, an diesem etwas seltsamen Think-Tank teilzunehmen.
Während des Essens gab es jede Menge Smalltalk, dem ich mich verweigerte. Das stille Zwiegespräch mit feinen Teilen von Gans, Ente und Flusskrebschen war mir viel wichtiger.
Nichts wies darauf hin, dass es sich bei der Schlemmerei um eine Art von Geschäftsessen handelte. In mir wuchs der Verdacht, dass der Think-Tank einzig dazu geschaffen worden war, um bei der einen oder anderen für das Geschäft wichtigen Person, repräsentiert durch die jeweilige Gattin, gute Stimmung zu machen. Was mich anging, könnten sich van der Fluh und seine Strategen gedacht haben, dass es viel schwerer war, gegen Ultrakauf ins Feld zu ziehen, wenn man von Ultrakauf gut gefüttert wurde. Da war schon etwas dran.
In der Pause zwischen dem Entenfilet in Madeira-Orangensauce und dem Dessert schlug van der Fluh schließlich mit der Gabel an sein Glas, sorgte so für Aufmerksamkeit und erhob sich.
»Sehr geehrte Damen und Herren, herzlichen Dank noch einmal, dass Sie mir und unserem gemeinsamen Anliegen Ihre kostbare Zeit opfern. Ich hoffe, nein, ich bin mir sicher, dass Starkoch Martin Guttmayer Sie dafür etwas entschädigen konnte. Nun aber kommen wir sozusagen« – er lächelte breit – »zum ernsten Teil unseres Treffens. Meine Marketingleute würden sagen, ich soll nicht von ›ernst‹ reden, da Einkaufen in einem unserer Supermärkte doch in jedem Fall etwas Lustvolles sein sollte, aber ich bin nun einmal ein altmodischer Geschäftsmann. Ich habe Sie hierher gebeten, um gemeinsam mit unseren Experten darüber nachzudenken, wie Ultrakauf-Märkte noch besser, noch mehr kundenorientiert werden können. Meine Assistentin, Frau Vogel, wird Protokoll führen. Herr Magister Wannemacher von der Abteilung für strategische Marktentwicklung wird das Gespräch, soweit das nötig ist, moderieren. Ich bitte Sie, uns ohne Rücksicht auch zu kritisieren. Denn nicht Fehler sind das Problem, sondern nichts aus ihnen zu
Weitere Kostenlose Bücher