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Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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nehmen?
    »Siebenunddreißig, er ist noch da«, sagte Vesna.
    Über jeder der LKW-Andockstationen stand eine Nummer. Ich bemerkte sie erst jetzt.
    Aber wer sagte uns, dass hier nun nicht ein ganz anderer LKW stand? Immerhin war mehr als eine Dreiviertelstunde vergangen, seit wir uns ins Zentrallager geschmuggelt hatten. Wir sahen, dass der LKW fast zur Gänze gefüllt war. Zwei Arbeiter waren damit beschäftigt, Kartons vom Förderband zu nehmen und im LKW zu stapeln.
    »Wir müssen warten, bis LKW voll ist«, zischte Vesna.
    »Und wo sollen wir uns dann verstecken?«
    »Wird schon wo Platz sein am Rand.«
    Ich sah mich schon von Tonnen Schweinsschnitzeln erdrückt. Auf dem Förderband standen jetzt nur mehr drei Kisten, Platz genug würde also im LKW sein, aber wo gab es ein Versteck?
    Ein Gabelstapler kam mit elektrischem Surren herbeigesaust. Der Fahrer bremste elegant vor dem LKW und stellte seinen Stapel mit Kartons direkt im Laderaum ab. Die grüne Aufschrift »Bio« war deutlich zu erkennen. Das Biofleisch wurde also offenbar in einem Extrabereich zerlegt und verpackt. Was hatten wir noch alles übersehen?
    Die beiden Packer rückten die letzten Kartons zurecht und gingen. Man hörte, dass sie miteinander türkisch sprachen.
    Wir sahen uns um. Alle Arbeiter waren beschäftigt, niemand schien uns Aufmerksamkeit zu schenken. Wir gingen bis auf einen Meter zum LKW hin, gaben vor, nach draußen zu schauen. Die Sonne schien. Noch ein schneller Blick, dann waren wir im Laderaum. Vesna drückte sich am Rand entlang, sie war schmal, aber für mich war es nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Ich zog den Bauch ein, machte mich so flach wie nur möglich. Nur die Angst, entdeckt zu werden, ließ mich vorwärtskommen. Ich würde es nicht aushalten, im Stockfinsteren eingeklemmt zu fahren. Fleischskandal hin oder her, was, wenn in einer Kurve die ganzen Kisten auf uns rutschten?
    »Vesna, ich kann nicht«, keuchte ich.
    »Komm, ganz hinten ist Platz. Genug Platz.«
    Ich sah den LKW-Fahrer näher kommen. Ich presste mich weiter. Ein metallener Gegenstand drückte mir schmerzhaft in den Oberschenkel. Mit einem Ruck riss ich mich los, quetschte mich weiter hin zu Vesna, hinein ins Dunkel. Hätte der LKW-Fahrer genau auf sein Ladegut gesehen, er hätte mich entdeckt. Aber er schloss bloß die Türen, zum zweiten Mal am heutigen Tag wurde es stockfinster. Ich zwängte mich weiter und hatte die Panik, er könnte losfahren, bevor ich bei Vesna angelangt war.
    Da, mehr Platz, Luft. Vesna tastete nach mir.
    »Haben nicht bis ganz hinten gefüllt, das ist Glück.« Der Motor wurde gestartet, der ganze Laderaum vibrierte, diesmal war der Ton nicht hell und metallisch, es war ein dunkles, sattes Grollen. Ein Tier mit gefülltem Bauch. Wir fuhren los.
    »Jetzt können wir nur hoffen, dass die Ladung nicht rutscht.«
    »Nur bei Notbremsung«, sagte Vesna.
    »Ich will raus«, antwortete ich.
    »Wenn Notbremsung ist, du springst so weit wie möglich nach oben, auf die Kartons. Dann passiert nichts.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Bin oft genug in LKW mitgefahren, früher in Bosnien.«
    »In solchen?«
    »Natürlich nicht Kühl-LKW, sondern offene Pritschen, aber auch ganz beladen. Straßen waren viel schlechter als hier.«
    Jeden Moment hatte ich das Gefühl, der LKW könnte plötzlich abbremsen, immer war ich auf dem Sprung.
    »Du musst Schürze ausziehen und auch Mantel«, flüsterte mir Vesna zu, als wir auf der Autobahn waren. Ein Gutes hatte die Ladung, sie dämpfte die Schläge bei den Straßenunebenheiten. Ich fingerte an den Knöpfen, drückte Vesna dann meine Schutz- und Tarnkleidung in die Hand.
    »Jetzt wir sehen nach, was genau geladen ist.«
    »Wie?«
    »Mit Taschenlampe. Ganz vorsichtig, mit der Jacke vor dem Licht.«
    Ich ächzte, stellte mich neben sie, half ihr, den Lichtschein abzudecken, war dankbar für das bisschen, was ich sah. Wo Licht war, war auch Hoffnung.
    Auf jeden der großen Kartons war das Firmenlogo von Ultra- und Superkauf gedruckt, ansonsten sahen wir bloß einen großen Barcode und die jeweilige Fleischbezeichnung. Auf den Kisten in meiner Kopfhöhe stand zweimal »Schweinskarree« und einmal »Schweinsstelzen«. Aufgetaut war nur das Rindfleisch gewesen.
    Der LKW wurde langsamer, es folgte eine enge Rechtskurve.
    Waren wir schon in Wien? Aber die Westeinfahrt ging schnurgerade nach Wien hinein, keinerlei Notwendigkeit, abzubiegen, soweit ich mich hier, eingepfercht zwischen toten Schweinen und

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