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Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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vierzig Kilometer außerhalb von Wien lag, noch waren wir in der Hauptstadt unterwegs. Immer wieder musste der LKW anhalten, wahrscheinlich war der Frühverkehr inzwischen voll im Gang.
    Ich ärgerte mich, dass ich nicht daran gedacht hatte, eine Uhr mit beleuchtbarem Ziffernfeld mitzunehmen.
    »Ich habe Taschenlampe, aber nur für den Notfall. Weiß nicht, ob der Fahrer etwas sehen kann. Fenster hat der Laderaum keines, an Kamera glaube ich nicht, aber was weiß man. Besser, es ist finster. Aber das Handy hat eine Uhr. Das kann er nicht sehen, wenn du unter der Decke einschaltest.«
    Ich tappte in meiner Jackentasche nach dem Mobiltelefon, kroch wieder unter die Decke, tippte blind meinen Code und freute mich über den schwachen Lichtschein. Es war kurz vor sieben. Wir konnten höchstens eine Viertelstunde unterwegs sein.
    »Bald kommt Autobahn«, flüsterte Vesna, »das ist ruhiger.«
    Sie behielt teilweise Recht. Die Stopps und die Kurven wurden seltener, dann beschleunigte der LKW. Ruhiger wurde es dadurch im Laderaum nicht. Durch das Tempo entstand ein heller, bedrohlicher Vibrationston, der durch den leeren Raum nervtötend verstärkt wurde. Nie hatte ich geahnt, wie viele Bodenunebenheiten die Westautobahn hat.
    Ich untersuchte mein Knie und ertastete, dass die Jeans ganz geblieben waren. Darunter tat es weh, aber es war wohl nur eine kleine Schürfwunde. Die Hüfte allerdings brannte noch immer wie Feuer.
    Wir zogen die Mäntel und die Schürzen über, die Vesna in ihrem kleinen Rucksack mitgenommen hatte, und verstauten Schutzhauben und Überschuhe griffbereit in den Jackentaschen. Es ist nicht einfach, sich in einem LKW bei mindestens Tempo hundertzwanzig anzuziehen. Erschöpft kauerten wir uns wieder an die Wand.
    Irgendwann verlangsamte der LKW seine Fahrt, es kam eine scharfe Rechtskurve, die uns fast ausgehoben hätte. Dann zuckelten wir in gemäßigterem Tempo auf einer Landstraße dahin.
    Plötzlich enorm laute Töne, sie rissen mich hoch, versetzten mich mit ihrer Aneinanderreihung zu einer penetrant fröhlichen Melodie in Panik. Ich hatte vergessen, mein Mobiltelefon abzuschalten. Auch jetzt wirkte der leere Laderaum wie ein riesiger Resonanzkörper. Ich kramte in meinen Jackentaschen. Schließlich fand Vesna das Mobiltelefon auf der Decke, drückte es mir im Stockfinsteren in die Hand, ich tastete mit zitternden Fingern nach dem Knopf zum Ausschalten. Spät, sehr spät wurde es wieder totenstill. Wir lauschten. Hatte der Fahrer etwas gehört? Der LKW wurde noch langsamer.
    »Unter die Decken«, zischte Vesna.
    Wir zogen die muffigen Decken über uns, drückten uns in einer Ecke zusammen. Der LKW fuhr einen engen Halbkreis, blieb stehen, schob zurück. Ich tastete nach Vesnas Hand. Sie drückte meine, versuchte mich wohl zu beruhigen, aber ich merkte, dass auch sie zitterte.
    »Wir bleiben liegen. Vorerst«, flüsterte Vesna.
    Die Hecktüren gingen auf, auch unter den Decken konnte man helles Licht erkennen. Schien wieder einmal die Sonne? War es nicht noch zu früh für so viel Licht? Stimmen waren zu hören, Motorengeräusche. Jemand in schweren Schuhen sprang in den Laderaum. Ich atmete flach und bemerkte, wie Vesna ganz vorsichtig, Zentimeter für Zentimeter, ihren Kopf aus den Decken schob.
    »Zentrallager«, flüsterte sie dann. »Vorne steht einer, der was einladen will.« Unmöglich, an ihm vorbeizukommen. Es schien Verzögerungen zu geben.
    »Was is?«, schrie der Mann. »Warum kommt Ladung nix?«
    »Ein Bosnier«, zischte ich, fast beruhigt, Vesna zu.
    »Nichts Bosnier, das ist ein Türke oder so was.«
    Wir hörten, wie der Mann vom LKW sprang. Vesna streckte ihren Kopf in Richtung Halle. »Komm«, sagte sie dann, »schnell.«
    Sie zog mich mit, wir rannten durch den Laderaum nach vorne, unfassbar, wie lang so ein LKW ist. Er hatte mit dem Heck direkt an das Ladesystem des Zentrallagers angedockt. Ein schmales Förderband endete hier, mindestens vierzig oder fünfzig solcher Förderbänder gab es in der riesigen Halle, jedes reichte bis zu einem LKW-Stellplatz. Bei rund der Hälfte von ihnen war Betrieb. Wir zogen die Mützen über und gingen möglichst unauffällig ins Innere der Halle, dorthin, woher die Förderbänder mit den wohl dreißig, vierzig Kilo schweren Fleischkartons kamen. Woran wir nicht gedacht hatten: Im Ladebereich trug niemand Schutzkleidung. Wir fielen schneller auf, als uns lieb war.
    »Was macht ihr Süßen denn hier?«, rief uns ein Arbeiter, der Kartons auf einem

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