Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
Vom Netzwerk:
angegeben, was den Schluss nahe legte, dass sie immer noch im Cavendish Hotel wohnte. Er hatte noch nicht entschieden, ob er mit ihr reden wollte; er wollte sich seiner Sache sicher sein, bevor er ihr entgegentrat.
    Aber Alison Morrissey brauchte seine Hilfe, während Fry ihn absolut nicht brauchte, ja, in Wahrheit war sie ohne ihn besser dran, da sie in diesem Fall ihre Mitarbeiter nach Lust und Laune herumkommandieren konnte. Die beiden Frauen hätten nicht gegensätzlicher sein können.
    Der Schneemann sah aus, als würde er jeden Augenblick die Augen aufschlagen. Seine Hautfarbe erinnerte Ben Cooper an den echten Schneemann, den jemand zu Allerheiligen auf dem Friedhof gebaut hatte. Er stand nahe an der Straße und sah seit einigen Tagen wegen der Auspuffgase des vorüberrollenden Verkehrs grau und kränklich aus.
    Cooper beobachtete Peter und Grace Lukasz, die schon vor dem Betreten der Leichenhalle ziemlich verstört gewirkt hatten.
    »Ist wirklich alles in Ordnung?«, fragte er. »Wir können es auch auf morgen früh verschieben, wenn Ihnen das lieber ist.«
    »Nein, schon gut«, sagte Lukasz.
    In der Leichenhalle zog ein Assistent dem Leichnam das Tuch vom Gesicht. Cooper beobachtete das Ehepaar aufmerksam. Lukasz schien sogar fast ruhiger zu werden, als er das Gesicht sah, doch seine Frau war von dem Anblick wie gebannt. Sie schob ihren Rollstuhl ein Stück näher heran, um sich Haar und Haut des Schneemanns genauer zu betrachten.
    »Also, es ist mit Sicherheit nicht unser Sohn«, sagte Lukasz. »Diesen Mann habe ich noch nie im Leben gesehen.«
    »Mrs Lukasz?«, fragte Cooper.
    »Natürlich ist es nicht Andrew.«
    »Aber haben Sie ihn schon einmal gesehen? Könnte es der Mann sein, der am Montag bei Ihnen geklingelt hat?«
    »Schwer zu sagen«, antwortete sie. »So wie er jetzt aussieht … und, na ja, ich habe ihn ja auch nur ganz kurz gesehen. Aber ich glaube, er könnte es sein.«
    »Ist Ihnen noch etwas eingefallen, das uns helfen könnte, ihn zu identifizieren? Irgendein kleines Detail?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Vielen Dank.« Cooper nickte dem Assistenten zu, der die Leiche daraufhin wieder zudeckte. Der Schneemann war auf Reisen gewesen, deshalb kannte ihn auch niemand in Edendale und Umgebung. Cooper fragte sich, ob Gavin Murfin sich schon mit Interpol in Verbindung gesetzt hatte.
    »Mrs Lukasz, ist Ihnen vielleicht aufgefallen, dass der Mann einen Akzent hatte?«
    Grace Lukasz fuhr mit den Handflächen über die Räder des Rollstuhls und blickte zu ihrem Mann auf. »Ich weiß es nicht, er hat nicht viel gesagt.«
    »Was genau hat er denn gesagt?«
    »Er hat gefragt, ob Mr Lukasz zu Hause ist. Mehr nicht.« Sie wendete den Rollstuhl und fuhr neben ihrem Mann in Richtung Ausgang.
    »Welchen Mr Lukasz wollte er denn sprechen?«, fragte Cooper weiter.
    Grace blieb stehen. Ihre Schultern waren angespannt. Ihr Mann trat hinter sie, um den Rollstuhl zu schieben. »Das weiß ich nicht«, antwortete sie. »Aber Peter war nicht zu Hause, und zu Zygmunt konnte ich ihn nicht lassen.«
    Cooper runzelte die Stirn. Ihr offensichtlicher Mangel an Vorstellungskraft, ihre Weigerung, andere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, ärgerte ihn.
    »Ist Ihnen nie in den Sinn gekommen, dass er vielleicht Andrew Lukasz gesucht hat?«, sagte er.
    »Aber Andrew war doch schon weg«, sagte Peter.
    »Eben.«
    Auf dem Nachhauseweg machte Diane Fry am Eckladen an der Castleton Road Halt. Er wurde von einer pakistanischen Familie geführt, die immer sehr freundlich zu ihr war, ganz gleich, ob sie gute oder schlechte Laune hatte. Manchmal hatte sie beim Verlassen des Ladens ein schlechtes Gewissen, weil sie diese Freundlichkeit nicht erwidert hatte. Aber das waren jene Tage, an denen ihr Edendale wie der letzte Ort auf Erden vorkam, an dem sie sein wollte.
    Fry hatte eine Flasche Milch und eine tiefgekühlte Peperoni-Pizza gekauft. An der Kasse nahm sie noch ein paar Zeitungen mit, für den Fall, dass am Abend nichts einigermaßen Erträgliches im Fernsehen kam. Sie wohnte schon so lange allein, dass sie daran gewöhnt war und es ihr mittlerweile recht gut gelang, die Anfälle von Einsamkeit zu unterdrücken, solange keine Leute in der Nähe waren. Schwierig wurde es, wenn sie die Studenten in den anderen Wohnungen lachen und einander etwas zurufen hörte, wenn sie mit Freunden aus der Kneipe kamen, Musik auflegten und in langen Diskussionen die Welt retteten. In solchen Momenten musste sie ihre ganze Kraft aufbringen. Sie wusste

Weitere Kostenlose Bücher